Burnout ist Betriebssache

Viele Menschen drohen in ihrem Berufsalltag auszubrennen. Präventionsprogramme im Betrieb könnten Abhilfe schaffen. In Nordrhein-Westfalen hat ein Pilotprojekt praktische Lösungen erarbeitet

VON JUTTA BLUME

Auf eine Phase des permanenten Engagements im Beruf folgt ein schleichender Rückzug, der einst so begeisterte Mitarbeiter tut nur noch Dienst nach Vorschrift. Am Ende verabschiedet er sich in die Depression. So sehen viele Verläufe des Burnout-Syndroms aus, das 1974 erstmals von dem Psychoanalytiker Herbert Freudenberger beschrieben wurde. Wie viele Menschen inzwischen vom Burnout-Syndrom betroffen sind, lässt sich nur schätzen. Die Schwierigkeit liegt darin, dass Betroffene selbst nicht bemerken, dass sie allmählich ausbrennen. „Burnout ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich schleichend entwickelt“, erklärt der Diplom-Psychologe Sven Hollmann. Der Wissenschaftler vom Institut für Arbeitsphysiologie der Universität Dortmund hat ein Burnout-Präventionsprogramm erarbeitet und in der Versorgungsverwaltung Nordrhein-Westfalen erprobt.

Viele Mitarbeiter erlebten es, dass Kunden am Telefon oder auch im persönlichen Kontakt unverschämt wurden, ihren Frust direkt an den Angestellten ausließen. Die Angestellten jedoch sahen sich nur als Ausführende an anderer Stelle getroffener Entscheidungen. Wie sie diese Pufferstellung ertragen können, war eine der Fragen, die die Mitarbeiter in dem zehnwöchigen Workshop diskutierten.

Zu der Erkenntnis, dass eine Burnout-Prävention überhaupt notwendig sei, kam es nach einer Mitarbeiterbefragung an elf Versorgungsämtern in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2003. Unter den etwa 2.000 Befragten zeigten sich gerade die Angestellten in den Bereichen „Erziehungsgeldrecht“ und „Schwerbehindertenrecht“ besonders gefährdet, im Beruf auszubrennen. Im Frühjahr 2004 begann Sven Hollmann dann sein Interventionsprogramm, zu dem er die bestehenden Teams der Verwaltung einlud.

In Arbeitstagebüchern hielten die Beteiligten ihr positivstes und negativstes Erlebnis fest. „Was sind Dinge, bei denen Gefühle der Erschöpfung entstehen?“, wollte Sven Hollmann außerdem wissen, aber auch, in welchen Bereichen sich die Angestellten besonders kompetent fühlten. Die Arbeitsgruppen entwickelten zusammen mit dem Psychologen gezielt Strategien, mit den alltäglichen Belastungen besser umzugehen. Im Falle der Beschimpfungen am Telefon reichte es manchmal schon, sich über diese Situationen mit den Kollegen auszutauschen, um zu wissen, dass man damit nicht alleine war. Schwierige Gesprächspartner an Kollegen oder Vorgesetzte weiterzugeben, war ebenfalls eine Lösungsstrategie, um sich „nicht festzubeißen“. Aber nicht nur frustrierte Kunden, sondern auch manche Arbeitsabläufe innerhalb der Verwaltung führten zu einem erhöhten Druck auf die Mitarbeiter. So war die Kommunikation innerhalb der Verwaltung oft zu langsam. Angeforderte Dokumente lagen manchmal schon in der Poststelle, nicht jedoch auf dem Tisch des zuständigen Sachbearbeiters, was wiederum zu Ärgernissen und Missverständnissen im Kontakt zu Kunden führte. Es ging daher auch um eine Verbesserung der innerbetrieblichen Kommunikation und um eine gerechtere Gestaltung der Arbeit. „Wir haben jetzt alle zwei Wochen Gruppenbesprechungen, in denen die Mitarbeiter alles loswerden können, was sie betrifft“, berichtet Karlheinz Wirtz, Bezirkspersonalratsmitglied und ebenfalls Teilnehmer des Präventionsprogramms. „Unsere Arbeitsergebnisse und auch das Betriebsklima haben sich deutlich verbessert.“

Doch gerade Verbesserungsvorschläge, die die Abläufe innerhalb der Verwaltung betrafen, drohen nun nicht umgesetzt zu werden. Im Mai des vergangenen Jahres wurde die Versorgungsverwaltung in ihrer bisherigen Form aufgelöst und auf verschiedene andere Verwaltungen aufgeteilt. Trotz des etwas unbefriedigenden Endes sieht Sven Hollmann sein Interventionsprogramm als vorbildlich für andere Betriebe und Verwaltungen. „Das Wichtigste ist, Burnout überhaupt zu einem betrieblichen Thema zu machen und nicht zum Tabuthema.“ Betriebsangehörige müssten dafür geschult, Führungskräfte informiert werden. In der Versorgungsverwaltung waren es die teilnehmenden Teams selbst, die ihre Ergebnisse dem gesamten Betrieb vorstellten. Karlheinz Wirtz ist der Meinung, dass nun auch die Führungskräfte sensibler für das Thema Burnout geworden sind und mehr auf Mitarbeiterzufriedenheit, Krankheits- und Ausfallzeiten achten.

Bei Anzeichen von Burnout empfiehlt Hollmann, Experten einzuschalten. Allerdings gebe es immer noch selten Angebote für Betriebe, bisher würde Burnout-Prävention und Behandlung hauptsächlich individuell erfolgen. Entwickeln Einzelne ein fortgeschrittenes Burnout-Syndrom, ist die individuelle psychologische Behandlung auch unumgänglich. Schließlich kann die permanente Erschöpfung zu schweren Depressionen und psychosomatischen Erkrankungen führen.