Streumunition soll auf den Index

Heute beginnt in Oslo auf Initiative Norwegens eine zweitägige Konferenz über Clusterbomben. Ziel ist es, weltweit ein Verbot dieser Waffen zu erreichen

STOCKHOLM taz ■ Die internationale Staatengemeinschaft muss sich endlich mit einer der derzeit drängendsten humanitären Herausforderungen befassen, fordert das Grundsatzpapier einer heute beginnenden zweitägigen Konferenz in Oslo. Es geht um Streubomben, und eingeladen hat die norwegische Regierung. 40 Länder, Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz sowie verschiedene Unterorganisationen der UN sollen, so die Hoffnung der Konferenzveranstalter, einen Prozess initiieren, der zu einem Verbot des Einsatzes dieser Waffe führt.

Bis jetzt gibt es ein solches Verbot nicht – abgesehen von den allgemeinen Bestimmungen des Völkerrechts, bei kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Militär und Zivilbevölkerung zu unterscheiden, sowie „überflüssigen Schaden“ und „nicht erforderliches Leid“ zu vermeiden.

Wie folgenlos solche Paragrafen sind, erwies sich zuletzt im August vergangenen Jahres, als die israelische Armee in den letzten 72 Stunden vor Inkrafttreten eines bereits ausgehandelten Waffenstillstands auf den Libanon noch zehntausende dieser Bomben abwarf. Dieses wurde damit gerechtfertigt, dass man ja keine verbotenen Waffen eingesetzt habe.

Cluster- oder Streubomben sind Bomben, welche ihrerseits bis zu mehrere hundert kleine, etwa tennisballgroße Explosivkörper enthalten, die von der „Mutterbombe“ in alle Richtungen freigesetzt werden. Es sind keine Präzisionswaffen, sondern sie sollen ihre explosive Ladung über einen möglichst großen Bereich, bis zu 3 Kilometer weit streuen. Um einen nennenswerten militärischen Schaden anzurichten, ist ihre Ladung zu klein. Sie zielen vielmehr darauf ab, die sich in ihrem Explosionsradius aufhaltenden Menschen zu töten, zu verletzen oder zu verstümmeln.

Laut einer kürzlich veröffentlichten internationalen Studie sind 98 Prozent der Opfer von Streumunition Zivilisten. Da im Schnitt 25 Prozent der Sprengkörper nicht sofort explodieren, stellen sie bis zu ihrer Entschärfung eine latente Gefahr ähnlich wie Minen dar. Das gilt vor allem für Kinder, die die oft auch noch bunt gefärbten „Bombletten“ für Spielzeug halten können.

Nach einem Rapport der UN-Entwicklungsorganisation UNDP kämpfen heute 26 Dritte-Welt-Länder mit den tödlichen Hinterlassenschaften des Einsatzes von Streumunition. Weite Teile der landwirtschaftlichen Nutzfläche könnten dort nicht in Gebrauch genommen werden, weil sie noch immer nicht geräumt worden seien.

Flüchtlinge würden deshalb oft daran gehindert, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Noch Jahrzehnte nach dem Ende des Krieges würden in Laos, Kambodscha und Vietnam heute noch regelmäßig Menschen durch Bombletten verstümmelt oder getötet.

Was der norwegischen Regierung vorschwebt, ist ein Verbot dieser Waffe ähnlich dem bereits vor zehn Jahren in Ottawa verabschiedeten Verbot von Antipersonen-Landminen. Diesem Abkommen sind mittlerweile 152 Staaten beigetreten.

Derzeit haben sich nur einzelne Länder zu einem einseitigen Verzicht auf den Einsatz von Clusterbomben bei ihren Streitkräften sowie deren Produktion und Handel bereit erklärt. So beispielsweise Belgien, nicht aber Deutschland.

Im November vergangenen Jahres war der Versuch, ein Verbot im Rahmen der UN-Konvention über konventionelle Waffen (CCW) in Genf auszuhandeln, gescheitert. Daraufhin hatte Oslo die Initiative zu der jetzigen Konferenz ergriffen. „Wir wissen, dass es noch viele Länder gibt, die meinen, in ihren Waffenarsenalen nicht auf Clusterbomben verzichten zu können“, sagt Norwegens Außenminister Jonas Gahr Støre. „Das darf uns aber nicht daran hindern, endlich einen Anfang zu machen.“

REINHARD WOLFF