Soll das Auto Luxus werden?

Ja
Autoindustrie, Gewerkschaften und Politik haben bisher alles getan, um ein klares Umlenken in der Umweltpolitik zu verhindern. Mit der neuen Kfz-Steuer ist wenigstens ein kleiner Anfang gemacht, die CO2-Emission durch den Individualverkehr einzudämmen. Internationale Solidarität lässt sich am besten über Klimaschutz demonstrieren

Autofahren wird teurer. Die Kfz-Steuer sollte sich künftig am CO2-Ausstoß des Automobils orientieren. Das sollte sie schon längst. Und wer besonders viel CO2 aus seinem Auspuff jagt, sollte besonders viel Steuer bezahlen. Wer ein sparsames Auto fährt, wird belohnt. Kurzfristig zumindest. Denn: Autofahren wird teurer. Fliegen übrigens auch. Das ist längst keine politische Forderung mehr, sondern eine Tatsache.

Die Frage ist nur, ob dieser Prozess noch von unserer Politik gesteuert wird oder unkontrolliert erfolgt. Für die sprunghafte Variante sprechen zwei Megatrends: erstens, dass uns schlicht der Saft knapp wird, wenn die vielen Chinesen und Inder auch so gut gefedert und klimatisiert in der Gegend rumfahren wollen wie wir. Und zweitens, dass die Folgen der Klimaerwärmung uns zu schnellen hektischen Manövern zwingen. Drittens spricht für die Panik-Variante die Tatsache, dass unsere Politik Angst hat.

Besonders viel Angst hat sie, wenn das Automobil, unser „Jobmotor“, unser „Heiligs Blechle“, unser „Freiheitsversprechen“ in die Schlagzeilen gerät. Als der neue Umweltprophet, EU-Kommissar Stavros Dimas, die europäische Autoindustrie lediglich beim selbst gegebenen Wort nehmen wollte, war plötzlich doch alles nicht so gemeint. Porsche, BMW, Daimler und VW fielen schlagartig alle ihre Klimasünden ein. Die altbekannte, aber keineswegs zeitgemäße Verhinderungsmaschine lief an.

Der Wirtschaftsminister, eigentlich ist es egal, wer es gerade ist, sieht den Standort Deutschland gefährdet. Die Gewerkschaft malt den Verlust von zigtausenden Arbeitsplätzen an die Wand. Die Autoindustrie offenbarte ziemlich schnell, wo sie vor gut zehn Jahren die Schlupflöcher in ihre Selbstverpflichtung eingebaut hatte. Jetzt will sie untereinander handeln, anrechnen, tricksen, schönrechnen. So wird das nichts.

Höchste Zeit, dass beim Auto heutiger Prägung, aber auch bei den Fahrerinnen und Fahrern ein Veränderungsprozess einsetzt. Die Umstellung der Kfz-Steuer von Hubraum auf CO2-Ausstoß ist nur ein erster, kleiner Schritt. Und so, wie sie jetzt schon wieder alle glatt hobeln, wird der Veränderungsprozess viel zu klein ausfallen. DaimlerChrysler will es wettbewerbsneutral, die Autofahrer sollen auf keinen Fall mehr bezahlen und die Bundesländer achten darauf, dass sie ja keinen Cent weniger einnehmen.

Dem CO2-Gehalt der Luft ist dieses Gezerre und Geziehe völlig egal. Er nimmt zu. Und das hat Folgen. Natürlich ist der viel zu warme Winter ein Wetterphänomen und nicht der Beweis des Klimawandels. Aber die Zeichen mehren sich, und alle, die sich mit dem Thema vertieft beschäftigen, wissen inzwischen, wir sind mittendrin im Klimawandel. Wüstengebiete rund ums Mittelmeer, 100 Millionen Flutflüchtlinge in Bangladesch, viele Millionen Klimatote in Afrika und Asien sagen Klimaforscher vorher.

Um das Schlimmste zu verhindern, muss sich in der industrialisierten Welt, also auch in Deutschland, vieles ändern. Die CO2-Emissionen der Industrieländer müssen um 80 Prozent im Vergleich zu 1990 runter. In Europa blasen die Autos gut ein Viertel mehr Treibhausgas in die Luft als 1990. Das zeigt die Dimension der Aufgabe. Es geht hier nicht um Symbolhandeln. Es geht hier auch nicht um den Schutz des „kleinen Mannes“. Es geht um die Zukunft von uns allen. Noch leisten wir uns eine verschwenderische Luxusform menschlicher Fortbewegung, mit Klimaanlage und Sitzheizung. Mit dem Meeresspiegel steigt auch das Elend in vielen armen Ländern der Erde, verursacht von uns Reichen.

Hier ist der alte Kampfbegriff von der internationalen Solidarität im neuen Gewand wieder angebracht. Die Diskussion über eine CO2-basierte Kfz-Steuer ist so gesehen eine Fußnote der Geschichte. Klar sollte man das machen, aber dann schnell die Ärmel hochkrempeln und fragen, was noch zu tun ist.

MICHAEL ADLER

Nein
Menschen mit schmalem Geldbeutel können sich nur ältere Autos mit höherem Schadstoffausstoß leisten. Sie werden unter der neuen Kfz-Steuer am meisten zu leiden haben. Klimaschutz muss mit einer sozialeren Politik verknüpft werden. Sonst verfehlt er seine Wirkung

Hybridautos für alle, schallt es aus grünem Munde. Ganz bestimmt haben nun der Hartz-IV-Bezieher, die Friseurin aus Thüringen mit 3,57 Euro Tariflohn und die Alleinerziehende ihre Konten geplündert und einen Hybrid-Toyota für 27.000 Euro bestellt, um etwas gegen den Klimawandel zu tun.

Da wollte der Bundesverkehrsminister nicht abseits stehen und hat die schlummernde Idee der abgasbezogenen Kfz-Steuer wieder hervorgeholt. Klimaschutz, koste es, was es wolle, und ohne Rücksicht auf soziale Verluste. Doch Klima- und Umweltschutz dürfen nicht sozial ausgrenzen, sonst verlieren sie an Akzeptanz und Breitenwirkung. Denn so klimapolitisch sinnvoll Tiefensees Vorschlag ist, so fatal könnte deren Wirkung sein für diejenigen, die gerade nicht genug Kleingeld für ein neues schadstoffarmes Auto haben. Besitzer älterer Autos mit einem natürlich höheren Schadstoffausstoß würden verstärkt zur Kasse gebeten. Ältere Autos sind aber nun einmal das Fortbewegungsmittel von Menschen mit einem schmalen Geldbeutel wie jungen Fahranfängern oder Menschen ohne Arbeit oder Arbeitnehmern mit geringem Einkommen, die ihren Gebrauchten so lange zum Pendeln benutzen, bis der TÜV endgültig sein Veto einlegt. Alle diese Verkehrsteilnehmer würden unter der geplanten Kfz-Steuerreform leiden bzw. im Extremfall ganz vom Individualverkehr ausgeschlossen werden.

Tatsache ist, dass der überwiegende Teil der Besitzer der 46,6 Millionen Pkws in Deutschland von der neuen Regelung benachteiligt wäre. Vom sozialdemokratischen Tiefensee-Ministerium fehlen ernst zu nehmende Hinweise, wie diese Benachteiligung verhindert werden soll. Zumal die abgasbezogene Kfz-Steuer durch die steuerliche Privilegierung der auch von den Fuhrparks der Ministerien genutzten dienstlichen Spritschlucker konterkariert wird. Ziel der Steuerumstellung sollte doch sein, bei der Entscheidung über ein neues Fahrzeug ein klimafreundliches Modell zu beschaffen, und nicht, ein Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie aufzulegen. Das hat diese nun wirklich nicht verdient, hat sie doch die Entwicklung verschlafen, so dass nur wenige spritsparende Modelle auf dem Markt sind.

Für Halter von älteren Fahrzeugen mit hohem Verbrauch gibt es wegen der hohen Mineralölsteuer bereits jetzt einen großen Anreiz, sich ein neues Fahrzeug zuzulegen. Sie tun dies vielfach nur dann nicht, wenn sie es sich nicht leisten können. Deshalb müssen die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzt werden, sich diese umweltfreundlichen Autos auch leisten zu können. Niedriglöhne, wie sie in der Bundesrepublik für viele Berufsgruppen leider üblich sind, wirken in diesem Kontext mehr als kontraproduktiv. Die Einführung eines Mindestlohnes von 8 Euro pro Stunde beziehungsweise realistische Lohnerhöhungen bei den laufenden Tarifverhandlungen würden die Kaufkraft großer Teile der Bevölkerung steigern und es den Menschen damit auch ermöglichen, auch umweltfreundliche Produkte wie schadstoffarme oder vielleicht auch Hybridautos zu kaufen.

Minister Tiefensee ist gerade dabei, die wichtige Klimaschutzdebatte durch eine Scheindebatte über die Kfz-Steuer abzuwürgen. Die Bundesregierung sollte besser erstmal ihre Umweltschutz-Hausaufgaben machen. So ist es an der Zeit, den Umzug der in Bonn verbliebenen Bundesbehörden und Ministerien nach Berlin schnellstmöglich zu realisieren. Denn der Behördenpendelverkehr belastet die Umwelt. Mit einem schnellen Umzug kann die Bundesregierung eindrucksvoll demonstrieren, dass es ihr mit dem Klimaschutz wirklich ernst ist. Ähnlich verhält es sich mit dem Tempolimit auf Autobahnen, dessen Fehlen den Kauf hochmotorisierter und spritschluckender Fahrzeuge erst attraktiv macht.

Wer auf den Klimawandel so reagiert, dass Millionen keine Chance haben, den Weg zu erneuerbaren Energien, schadstoffarmen Autos oder regionalen Wirtschaftskreisläufen mitzugehen, wird scheitern. Den Grünen mag die PR-Kampagne ihrer Fraktionsvorsitzenden für Hybridautos nach BMW nun Toyota als Autospender eingebracht haben. Die Masse derer, die auf ein Auto angewiesen sind, bekommt dies aber nicht geschenkt. Für sie ist eine abgasbezogene Kfz-Steuer ohne soziale Flankierung eine erhebliche Belastung.

GESINE LÖTZSCH