Auffällig viel im Bett gelegen

Starthilfe von guten Freunden: Im Konzert der Newcomer-Band Fotos im Lido waren alle sehr nett zueinander. Das liegt nicht nur an der Mitsinggarantie der Songs

Der Gesang von Tom ist ein einziges Stakkato, er betont beinah jede einzelne Silbe

Am Ende des Konzertes sind die Fans zufrieden und entsprechend charmant: Statt „Zu-ga-be“ zu rufen, skandieren sie „Kommt-zu-rück“. Das ist eine Hommage an einen der Songs, der den Titel „Komm zurück“ trägt und – wie sollte es anders sein – vom Verlassenwerden handelt. Eine nette Geste der Konzertbesucher.

Genauso, wie die Jungs auf der Bühne nett sind: Sie kommen aus Hamburg, Köln und Wuppertal und hegen eine große Liebe zu Kreuzberg. Spätestens, als sie ihren Auftritt im Lido als Heimspiel bezeichnen (unter anderem begründet durch in Berlin wohnhafte Freunde und ein in der Stadt aufgenommenes Album), gehören ihnen die Sympathien. Denn Berliner sind für Bekundungen dieser Art bekanntermaßen ganz besonders empfänglich.

Die Newcomer-Band Fotos, deren Hit „Giganten“ seit letztem Sommer im Repertoire von Radio Fritz ist, wird oft in eine mit dem Union Jack verzierte Schublade gesteckt. Zudem will man sie, da sie Deutsch texten, dem Label „Hamburger Schule“ zuordnen. Sänger und Songwriter Tom (22) sieht diese Vergleiche gelassen: „Solange wir nicht in die unsympathische Ecke der Mainstream-Emporkömmlinge, der kalkulierten Wegwerf-Imagerocker gestellt werden, ist uns erst mal alles recht.“

Entsprechend entspannt geben sich die vier auf der Bühne und haben gerade dadurch eine enorme Präsenz. Tom, der weiße Gitarre zu weißem Shirt mit fast bauchnabeltiefem Ausschnitt spielt, sieht man das Frontmann-Dasein an. Aber auch an den rockigsten Stellen verzichtet er auf den breitbeinigen Gitarrero. Eher bescheiden wischt er den Pony zurück nach rechts, und die Fans mit ihren carreraclubtauglichen Frisuren tun es ihm nach. Statt groß zu posen, singt Tom einfach. Dabei betont er beinahe jede Silbe, der Gesang ist ein einziges Stakkato. Das wird unterstützt durch Schlagzeuger Beppo, der mit seinen Sticks treibt und treibt. Gemeinsam mit dem Bandältesten Frieder (30) am Bass sorgt er für Songanfänge, die einen packen, noch bevor der Wiedererkennungseffekt einsetzt und Deniz an der Gitarre schließlich verspielt in den Rhythmus einbricht. Die Songs sind einfach aufgebaut und haben daher eine Mitsinggarantie, die sich bei Liveauftritten bewährt. An der CD dagegen hört man sich schnell satt.

Technisch sind Fotos fit, textlich hinken sie etwas hinterher. Der Song „Du löst dich auf“ handelt von Magersucht, und spätestens bei der Textzeile „Das ist die letzte Diät“ wünscht man sich weniger Eindeutigkeit. Dass nicht tief in die Trickkiste der Stilmittel gegriffen wird, zeigen auch Zeilen wie: „so frisch so verbraucht / so bunt und so grau / seh ich dich wieder / und wieder“. Überhaupt wird in den Songs auffällig viel im Bett gelegen und aufgewacht: Doch jeder neue Morgen scheint nichts als Langeweile und Erschöpfung bereitzuhalten. Als Balladen wären die Songs kaum zu ertragen.

Ein Kontrastprogramm ist das Video zu ihrem Hit „Giganten“: In einem alten BMW sind die Jungs unterwegs zu einem Hafen. Botschaft: Das Leben ist schön, auch wenn der Wagen mal stehenbleibt. Man muss nur Freunde haben, die Starthilfe geben. Auch das Konzert im Lido ist ein Abend der Freundschaften: Als Zugabe bitten die Musiker alte Bekannte auf die Bühne. Zu neunt spielen sie einen Remix, bei dem der musikalische Mehrwert egal ist: Einer schlägt leere Glasflaschen aneinander, ein anderer haut eine Plastikflasche voller Lust auf eine Kiste. Auch wenn sie nichts neu erfindet, kann man mit der Band Spaß haben.

Mit den Fans wohl auch; Tom gefallen die „Kommt-zu-rück“-Rufe: „Das klingt gut“, strahlt er. Es wäre lässiger gewesen, wenn er sich diesen Kommentar auf das unsichtbare Band zwischen Musikern und Fans verkniffen hätte. Aber dass manche Dinge an Besonderheit verlieren, wenn man sie direkt ausspricht, können Fotos ja noch lernen.

LENA HACH