Klitzekleine Indizien

Vor dem Achtelfinale gegen Madrid fühlen sich die Bayern als Außenseiter und denken an die Spiele gegen Inter Mailand in der Champions-League-Vorrunde – es waren ihre besten in dieser Saison

„Man hat nicht so viel zu verlieren wie in Aachen“

AUS MÜNCHEN SEBASTIAN KRASS

Eine blendende Idee war das, die Oliver Kahn da hatte. Ein Sieg und insgesamt vier Punkte aus den vergangenen fünf Spielen zeigen, dass die Bundesliga in diesem Jahr ein zu glitschiges Parkett für den FC Bayern München ist. Die Aussicht, sich über Verdienste auf nationaler Ebene den Einlass zur nächsten Champions League zu sichern, ist bei mittlerweile fünf Punkten Rückstand auf Rang drei sehr trübe geworden. Trotzdem wollen die Bayern natürlich auch 2007/2008 mit den Großen Europas dinieren und nicht am Katzentisch namens Uefa-Pokal sitzen. Hier kommt die Idee von Oliver Kahn ins Spiel. „Es sieht so aus, als wollten wir Champions-League-Sieger werden, um uns für die Champions League zu qualifizieren“, sagt der Torhüter des FC Bayern vor dem Achtelfinal-Hinspiel bei Real Madrid (20.45 Uhr/Premiere).

Es ist ein Satz, der nicht nur eine gute Portion Sarkasmus transportiert. Er steht auch für die letzte Hoffnung des FC Bayern, aus dieser verkorksten Saison noch etwas Positives zu ziehen. Es ist die Hoffnung, dass in der Champions League andere Regeln für das Fußballspiel gelten. „Die Dinge, die in der Bundesliga passieren, haben nichts mit dem zu tun, was in der Champions League passiert“, dozierte Kapitän Kahn und fügte an: „Man hat in der Vergangenheit schon oft erlebt, dass man sich, wenn es in einem Wettbewerb nicht läuft, im anderen unheimlich steigern kann. Da setze ich voll drauf.“

Der FC Bayern des Jahres 2007 hat sich bislang in einem Maße verunsichert präsentiert, das man beim sonst so großspurigen Rekordmeister nie für möglich gehalten hätte – wie ein legasthenischer Gymnasiast, der von seinem Lehrer jede Woche aufs Neue nach vorn an die Tafel zitiert und dann bloßgestellt wird. Die einzig derzeit denkbare Quelle für Selbstbewusstsein sind die Spiele aus der Champions-League-Vorrunde, die der FC Bayern unbesiegt hinter sich brachte. Die beiden Partien gegen Inter Mailand (2:0 auswärts und 1:1 zu Hause) waren dabei die mit Abstand besten der bisherigen Spielzeit.

Es gibt also in der Tat klitzekleine Indizien, die das Theoriegebäude des Oliver Kahn stützen. Zusätzliche Entlastung verspricht sich Kahn sich davon, dass die Bayern beim Duell zweier Krisenteams einmal nicht favorisiert sind: „Es ist psychologisch nicht so schwierig. Man hat nicht so viel zu verlieren wie in Aachen. Wenn du in Madrid 1:0 in Führung gehst, entwickeln sich auf einmal völlig neue Dinge, die das Selbstvertrauen zurückbringen.“

Die Bayernbosse bemühen sich, die angegriffenen Seelen ihrer Spieler nicht mit zu großen Erwartungen zu überfrachten. „Jetzt zeigt sich, wer die größeren Probleme hat. Ziel ist ein Ergebnis, das uns im Rückspiel die Tür offen lässt“, formulierte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. „Ein Erfolg wäre schon ein Unentschieden“, ergänzte Trainer Ottmar Hitzfeld, nahm die Mannschaft aber dennoch in die Pflicht: „Es fehlen immer noch zehn Prozent absolute Leidenschaft und Willensstärke. Ich kann die Mannschaft nur richtig einstellen, der letzte Funke muss von den Spielern kommen.“

Er kündigte an, im Angriff diesmal Lukas Podolski als Nebenmann von Roy Makaay einzusetzen. „Ich setze auf Lukas. Er ist vielleicht unbekümmert. Er ist dem Druck gewachsen, das hat er bei der WM gezeigt. Und er harmoniert gut mit Makaay“, sagte Hitzfeld. Zudem habe der 21-jährige seine Wadenprobleme überwunden. Im Mittelfeld soll Owen Hargreaves für mehr Stabilität sorgen. „Real spielt oft nur mit einem Stürmer, da müssen wir ein laufstarkes Mittelfeld haben“, stellte der Trainer der Bayern vor dem Achtelfinale fest.

Hitzfeld weiß besonders gut, wie es sich anfühlt, mit dem FC Bayern in der Champions League gegen Real Madrid zu spielen. Die bislang zehn Begegnungen der beiden Teams in diesem Wettbewerb zwischen 2000 und 2004 fielen allesamt in seine erste Amtszeit beim FC Bayern München – mit durchwachsenem Erfolg. Zwar gewannen die Bayern sechs Partien, doch kamen sie in den vier K.o.-Vergleichen nur ein einziges Mal weiter. Das allerdings war 2001, in jenem Jahr, in dem sie dann auch die Champions League gewannen – womit man wieder bei der Idee von Oliver Kahn angekommen wäre.