Die Abkehr des leicht Rasierten

Wieder in Lohn und Brot, verlässt Henrico Frank ordentlich frisiert seine Arbeitsloseninitiative. Auch gegen die Stadt Wiesbaden mag der Mann, der sich einst mit Kurt Beck anlegte, nicht mehr klagen. Vor allem seine ehemalige Sprecherin ist enttäuscht

AUS WIESBADEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Deutschlands bekanntester Arbeitsloser hat einen Job. Henrico Frank, 38, arbeitet seit letztem Donnerstag bei einem Satellitenmusiksender in Frankfurt. Schon am Montag darauf verließ er seine Arbeitsloseninitiative in Wiesbaden. Seine ehemalige Sprecherin Brigitte Vallenthin ist empört: „Das ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich für Henrico engagiert haben.“

Mit seinen Verbalattacken gegen den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck war Frank Ende 2006 bundesweit bekannt geworden. Der Arbeitslose hatte Beck für seine Situation verantwortlich gemacht. Daraufhin empfahl der Parteichef dem ihn Schmähenden, sich zu rasieren und die Haare schneiden zu lassen. Dann würde er auch Arbeit finden.

Die Enttäuschung über den Rückzug von Frank aus der Arbeitsloseninitiative sei „riesengroß“, wie deren Sprecherin Brigitte Vallenthin gestern der taz sagte. Bald zwei Monate lang hätten sich alle „für Henrico krummgelegt“. Einen „Job mit Zukunft“ sollte er finden. Den habe er jetzt zwar. Doch nach der Vertragsunterzeichnung habe sich Henrico „umgehend kommentar- und begründungslos“ von der Hartz-IV-Plattform verabschiedet.

Über Wochen hatte sich Vallenthin als Privatmanagerin von Frank geriert. Das kam nicht bei allen Arbeitsloseninitiativen gut an. Am letzten Aktionstag Anfang Januar vor der Staatskanzlei von Beck veranstalteten sie ein „öffentliches Rasieren und Haareschneiden“. Dort wollten die Organisatoren den „Vorzeigearbeitslosen Frank und seine Lautsprecherin“ – so ein Teilnehmer despektierlich – gar nicht mehr mitmachen lassen. Frank und Vallenthin initiierten deshalb auf der Rheinbrücke zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz ihre eigene Pressekonferenz.

Besonders ärgert Vallenthin, dass Frank nun auch seine Klage gegen die Stadt Wiesbaden nicht mehr weiter verfolge. Die Kommune hatte ihn wegen der Ablehnung der Stellenangebote, die ihm von Kurt Beck avisiert worden waren, die Hartz-Bezüge von 345 Euro um 30 Prozent gekürzt. Die Stadt werde sich jetzt „ins Fäustchen lachen“, glaubt Vallenthin. Sie hätte gern einen „Aufsehen erregenden Musterprozess“ geführt. Doch der Kampf gegen Hartz IV gehe auch ohne Frank weiter.

Schließlich hätten die Arbeitsloseninitiativen nach dem ganzen Medienrummel „viel Zulauf“ erhalten. Vallenthin will für ein bedingungsloses Grundeinkommen streiten, das die Abhängigkeit von den Launen der Sachbearbeiter auf den Ämtern enden lassen soll. Gerade erst habe sich eine arbeitslose und alleinerziehende Mutter bei der Plattform gemeldet, die aus ihrer 80 Quadratmeter großen Wohnung vertrieben werden soll, berichtete Vallenthin. Das sei die „grausame Realität von Hartz IV“.

Wenigstens für Frank ist die Wirklichkeit erfreulicher. Er darf sein Hobby zum Beruf machen und als Punkspezialist seines Senders die Szenelokale der Region besuchen und auf Redaktionssitzungen davon berichten. Damit verdient er rund 1.500 Euro brutto, dreimal so viel wie er bisher monatlich an Hartz-Geld bekommen hat.