Städtesieg im Kampf um Heroinvergabe

CDU-Fraktionschef lenkt ein: Modellprojekte mit Diamorphin dürfen weitermachen. Er könne nicht verantworten, dass jemand stirbt, weil das Programm gestoppt wird, sagt Kauder. Ausweitung aber abgelehnt: „Es bleibt bei den derzeit sieben Städten“

VON HEIDE PLATEN

Zahlreiche Politiker und Experten haben das Einlenken des Unionsfraktionschefs im Bundestag, Volker Kauder (CDU), bei der staatlichen Heroinvergabe an Schwerstabhängige begrüßt. Zuvor hatten seine Parteikollegen, Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und Hessens Ministerpräsident Roland Koch, in einem langen Gespräch mit Kauder Überzeugungsarbeit geleistet.

Noch in der vergangenen Woche sperrte sich Kauder gegen die Verlängerung der Sondergenehmigung oder gar die Legalisierung eines Modellprojektes zur kontrollierten Behandlung Süchtiger mit Diamorphin – synthetisch hergestelltem Heroin – als Medikament über den 30. Juni 2007 hinaus. Die sieben Großstädte Bonn, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln, Mannheim und München, in denen das Projekt vor fünf Jahren begann, hatten sich in einer parteiübergreifenden Resolution um Hilfe an die Öffentlichkeit und an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt und damit eine heftige Debatte ausgelöst.

Die Mehrheit der Unions-Fraktion zweifelte das positive Fazit einer Begleitstudie an. Sie forderte stattdessen eine Ausweitung der Behandlung mit der Ersatzdroge Methadon, weil diese billiger sei und bessere Ergebnisse zeitige. Den Versicherten dürften „zusätzliche Lasten“ nicht aufgebürdet werden.

Das Kanzleramt wiederum unterstützte die Intervention von Beusts und Kochs für die Heroinvergabe an Schwerstabhängige. Kauder sagte am Wochenende, er habe sich den Argumenten der Befürworter nicht verschließen können: „Den Vorwurf, dass jemand stirbt, weil sein gewohntes Programm nicht fortgeführt wird, kann ich nicht verantworten.“ Damit, so die Frankfurter Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann (Grüne), habe er zumindest erst einmal Klarheit für die rund 300 der ursprünglich 1.200 Patienten geschaffen: „Sie haben in den vergangenen Wochen sehr unter der Unsicherheit gelitten.“ Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), forderte die Union auf, die positiven Ergebnisse der Begleitstudie „nicht zu ignorieren“.

Auch andere Städte hatten Interesse an dem Versuch, der bisher nur mit einer Sondergenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte möglich war, signalisiert. Das allerdings schloss Kauder ausdrücklich aus: „Es bleibt bei den derzeit sieben Städten.“ Auch die von Hamburg angekündigte Bundesratsinitiative, die eine gesetzliche Regelung und die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen erreichen will, lehnte er kategorisch ab. Eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes werde es mit der CDU nicht geben. Allerdings schloss er nicht aus, dass in Zukunft auch eine Neuaufnahme einiger weniger Patienten in die bestehenden Modellprojekte möglich sein könnte. Diese allerdings müssten sich mehr auf das Ziel des Ausstiegs aus der Sucht als auf die reine Versorgung konzentrieren. Europaweit ist Diamorphin bisher nur in den Niederlanden und der Schweiz als Medikament zugelassen.

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