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: „Sie sind ein schöner Mann“

Es soll in der französischen Provinz noch Landstriche geben, in denen sich das romantische Liebeskonzept auch im 21. Jahrhundert nicht durchgesetzt hat. Statt der viel beschworenen französischen Liebeskunst herrscht dort das reine Nützlichkeitsdenken. In die Kategorie der Pragmatiker gehört auch Aymé, kauziger Landwirt aus der Drôme und Hauptfigur in der Tragikomödie „Sie sind ein schöner Mann“. Nachdem seine Frau bei einem Kurzschluss der Melkmaschine ums Leben gekommen ist, fehlt dem Eigenbrötler weniger die körperliche und emotionale Zuwendung als vielmehr eine Arbeitskraft.

Weil sich aber in seinem Dorf keine passende Gespielin findet, die auf dem Hof tatkräftig mit anpacken würde, lässt er sich kurzerhand auf die Vermittlung einer heiratswilligen Rumänin ein. In einem Salon in Bukarest werden dem mäßig attraktiven, wortkargen Bauern junge, lebenslustige Frauen vorgeführt, die ihm unisono das titelgebende „Sie sind ein schöner Mann!“ entgegenschmettern. Ohne groß darüber nachzudenken, wie ihm geschieht, entscheidet sich Aymé für Elena.

Die Szene veranschaulicht schön den feinsinnigen und zuweilen etwas hinterlistigen Humor, der das Regiedebüt der Drehbuchautorin Isabelle Mergault bestimmt. Die karge Inszenierung, die zwischen Situationskomödie, Entwicklungsroman und Groteske changiert, begleitet die Annäherung zweier gesellschaftlicher Außenseiter, deren Beziehung primär von handfesten wirtschaftlichen Interessen geleitet ist.

Denn nicht nur der Dickschädel Aymé, in dem sich allmählich Gefühle der Zuneigung zu regen beginnen, hat etwas zu verbergen; auch die verständige Elena, die in der Heimat eine Tochter zurücklässt, um dem französischen Kaninchenzüchter mit dem Charme eines Zwiebacks das Sentiment beizubringen, spielt nicht mit offenen Karten. In sparsamen Einstellungen, die dem ruralen Milieu jeden Anschein eines Idylls nehmen, treibt der Film jedoch die Figuren aufeinander zu.

Das Ereignis der Liebesgeschichte wider Willen, in die sich, wenn auch nur in homöopathischer Dosis, doch noch romantische Regungen schleichen, ist der Schauspieler Michel Blanc („Les bronzés“). Der klein gewachsene Charakterdarsteller, der mehrmals bei Patrice Leconte spielte und hier gegen seine üblichen Rollen besetzt ist, führt mit subtilem Mienenspiel vor, wie selbst ein jahrhundertealter Eisklotz unter wärmenden Sonnenstrahlen zu schmelzen beginnt. Was es braucht, ist einzig die geduldige Zuwendung einer Frau (Medeea Marinescu).

NICOLE HESS

„Sie sind ein schöner Mann“. Regie: Isabelle Mergault. Mit Michel Blanc, Medeea Marinescu u. a. Frankreich 2006, 97 Min.