Gaddafi: weder vor noch zurück

LIBYEN Führer tritt nicht zurück, Rebellen wehren Angriffe ab

TRIPOLIS/GENF/BRÜSSEL dapd/rtr/epd/taz | Muammar al-Gaddafi hat einen neuen Grund gefunden, warum er die Macht nicht abgeben kann: Er habe gar kein politisches Amt in Libyen inne, von dem er zurücktreten könnte, sagte er britischen und US-amerikanischen Journalisten. Das Interview, das die britische BBC gestern veröffentlichte, fand in einem Restaurant in der Hauptstadt Tripolis statt. Gaddafi erklärte, seine Gegner seien von al-Qaida aus dem Ausland eingeschleust worden und würden jetzt allmählich schwächer werden, da die Wirkung der von al-Qaida verteilten Drogen nachlasse. „Mein ganzes Volk ist mit mir“, sagte Gaddafi. „Sie lieben mich alle. Sie werden sterben, um mich zu schützen.“

Derweil vereitelten die libyschen Rebellen einen Angriff der Gaddafi-Truppen auf die strategisch wichtige Stadt Sawija im Westen des Landes. Die heftigen Gefechte in der rund 50 Kilometer westlich von Tripolis gelegenen Stadt begannen laut Augenzeugen in der Nacht zu gestern und dauerten rund sechs Stunden an. In der drittgrößten libyschen Stadt, in Misrata, rund 200 Kilometer östlich von Tripolis, wurde ein Vormarschversuch von Gaddafis Soldaten aus einem von ihnen kontrollierten Teil des Luftwaffenstützpunkts ebenfalls zurückgeschlagen.

Flüchtlingselend

Derweil spitzt sich die Notlage der aus Libyen fliehenden Menschen zu. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnte gestern vor einer humanitären Katastrophe. Ägypten und Tunesien seien mit dem anschwellenden Flüchtlingsstrom immer stärker überfordert. Das UNHCR berichtete auch von brutalen Menschenjagden innerhalb Libyens auf Zuwanderer aus Eritrea, Somalia, Tschad, Sudan, Irak und Palästina. Laut UNHCR sind über 140.000 Menschen aus Libyen nach Tunesien und Ägypten geflohen. An den Grenzposten zu Tunesien warteten Tausende auf Hilfe und Weitertransport.

Hilfsorganisationen erklärten, dass der Zugang zu den Menschen im Westen Libyens sehr schwierig sei. Ein europäisches Expertenteam suche derzeit nach Möglichkeiten, libyschen Boden zu betreten, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel gestern. Dies sei wegen der hohen Sicherheitsrisiken bislang nicht gelungen. Die EU verfolge üblicherweise das Prinzip, bei Einsätzen dieser Art auf bewaffnete Sicherheitskräfte zu verzichten, und dies sei auch im Fall Libyens wünschenswert, obgleich es schon Gespräche mit privaten Sicherheitsfirmen gegeben habe. Am 11. März wollen die EU-Staaten auf einem Sondergipfel über die Lage in Libyen und Nordafrika beraten.

In Deutschland ordnete Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle die vorläufige Sperrung eines Kontos mit rund 2 Millionen Euro ein, das ein Sohn Gaddafis bei einer deutschen Geschäftsbank angelegt haben soll.