„Die anderen sind besser“

Der ehemalige Bayern-Profi Christian Ziege erklärt, warum Trainerwechsel nicht selten gar nichts bringen, junge Spieler am Überlastungssyndrom leiden und die Münchner richtig platziert sind

INTERVIEW SEBASTIAN KRASS

Der FC Bayern München steckt im Moment so tief in der Krise wie schon lange nicht mehr. Die Meisterschaft ist außer Reichweite geraten, der Trainer gewechselt. Momentan stehen die Bayern auf Rang vier, elf Punkte Rückstand auf den FC Schalke 04 haben sie. In München kommen Erinnerungen an die Spielzeit 1991/92 auf – das schlimmste Jahr der jüngeren Vereinsgeschichte. Der FC Bayern verlor in der zweiten Pokalrunde zu Hause gegen den Zweitligisten FC Homburg und schloss die Bundesliga mit 36:40 Punkten auf Rang zehn ab – einen Platz hinter Werder Bremen, einen vor Schalke 04. Christian Ziege kam damals als junger Spieler auf 26 Einsätze. Der 35-Jährige trainiert mittlerweile die U17-Mannschaft von Borussia Mönchengladbach. Vor dem Spiel des FC Bayern München am Sonntag gegen Arminia Bielefeld erinnert Ziege sich an die misslungene Spielzeit 1991/92.

taz: Herr Ziege, mit welchen Zielen sind Sie damals in die Saison gegangen?

Christian Ziege: Wir sollten natürlich wie jedes Jahr Deutscher Meister werden. Wir hatten ja einen guten Kader.

Und was ist dann schief gelaufen?

Es fing schon damit an, dass wir gleich zu Hause gegen Hansa Rostock verloren haben, und setzte sich durch die ganze Saison fort. Wir haben es nicht geschafft, das Geforderte auf dem Platz umzusetzen. Am Anfang war Jupp Heynckes Trainer, der dann im Oktober entlassen wurde. Darauf folgte anschließend ein sehr unerfahrener Trainer …

der ehemalige Bayernprofi Sören Lerby aus Dänemark.

Der übernahm für ein paar Monate. Dann kam Erich Ribbeck. Das zeigt, dass wenig Kontinuität da war.

Der FC Bayern München hat vor gut einer Woche Felix Magath entlassen und Ottmar Hitzfeld verpflichtet. Hatten Sie den Eindruck, dass die Trainerwechsel damals etwas gebracht haben?

Nein. Speziell der erste Wechsel zu Sören Lerby hat rein gar nichts gebracht. Und außen herum war ein Riesentheater.

Wie hat die Vereinsführung auf die Krise reagiert, abgesehen von den Trainerwechseln?

Ich glaube, dass damals Entscheidungen getroffen worden sind, wie sie bei Bayern München normalerweise nicht getroffen werden – vielleicht auch, weil man sich in den Regionen der Tabelle nicht auskannte.

Was waren das für Entscheidungen?

Auf uns Spieler waren Detektive angesetzt, um zu überprüfen, ob wir im Nachtleben aktiv sind.

Waren Sie auch betroffen?

Ja, ja, ich glaube, dass jeder betroffen war. Wir hatten auch eine Ausgangssperre unter der Woche, mussten um elf Uhr zu Hause sein. Geändert haben sich die Dinge dadurch nicht. Für den FC Bayern München war das Ganze ein Albtraum. Aber das sind Sachen, die heute sicher anders laufen würden.

Also hat die Vereinsführung dazugelernt?

Mit Sicherheit. Es wurden ja auch gute Entscheidungen getroffen, Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge kamen als Vizepräsidenten ins Boot. Die arbeiten jetzt seit 15 Jahren mit Manager Uli Hoeneß zusammen.

Sehen Sie Parallelen zwischen der Bundesligasaison 1991/92 und der laufenden Spielzeit?

Für mich es ist es schwierig, das nachzuvollziehen. Aber damals war die Stimmung schwierig, auch in der Mannschaft. Jeder versuchte, seine eigene Haut zu retten und vergaß darüber, dass man ein Ziel hat: besser Fußball zu spielen und in der Tabelle nach oben zu kommen. Aber ich glaube nicht, dass der FC Bayern jetzt in so einer Situation steckt. Dafür sind sie zu gut.

Sie waren damals selbst ein recht junger Spieler. Können Sie nachvollziehen, welche Probleme jetzt Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und vor allem Angreifer Lukas Podolski jetzt haben?

Ich glaube, dass genau diese Situation für junge Spieler nicht so einfach ist. Normalerweise kommt ein Junger bei Bayern in eine funktionierende Mannschaft. Da muss er nicht viel machen, außer sein Talent abzurufen. Das andere übernehmen die Spieler, die dort die Führung innehaben. Die helfen auf dem Platz und auch außerhalb. Wenn dann aber alles aus dem Ruder läuft, ist ein junger Kerl noch anfälliger für Fehler, weil ihm die Erfahrung fehlt.

Wo, glauben Sie, steht der FC Bayern München am Ende dieser Saison?

Fakt ist, dass sie jetzt erst einmal aus der Situation rauskommen müssen. Aber Fakt ist auch, dass Werder Bremen eine tolle Saison spielt. Auch Schalke hat Fußballer, die dasselbe Niveau haben wie die Spieler der Bayern. Deshalb kann es auch mal vorkommen, dass sie Dritter oder Vierter sind. Man sollte nicht immer nur sagen: Die Bayern spielen schlecht, sondern auch einmal honorieren, dass die anderen einfach eine bessere Saison spielen.