klima, alarm etc.
: Die Großmeister der Katastrophe

Gott steckt im Detail, hat Gustave Flaubert gegen das Gerede vom Großen und Ganzen eingewandt. Übertragen auf die derzeitigen Reaktionen auf den Weltklimabericht heißt das: Laufen Sie weg, wenn Ihnen einer mit dem großen Wurf gegen die Erderwärmung kommt. Es könnte der Teufel sein. Der oberste aller Nihilisten, der Teufel, bleibt nämlich in einem Dilemma gefangen, das momentan viele alarmistische Berichte zur Weltlage durchregiert. So sehr er sich die Vernichtung der Welt auch wünschen mag, richtig genießen wird er sie nur können, wenn er noch ein paar Menschen übrig lässt. Ohne Publikum, dem er sein „Hab ich’s euch nicht immer gesagt?“ vorführen kann, bleibt auch für den Teufel die Apokalypse schal.

Ähnliches gilt für die anderen, besonders lautstarken Weltenmacher: die Neoliberalen. Erst auf dem letzten oder vorletzten FDP-Parteitag hatten die freien Demokraten die Natur in Form der Umwelt entdeckt. Nur, ist die Natur mit ihren Gesetzen nicht Inbegriff der Unfreiheit? Die FDP half sich mit einem Konstrukt, das im wahrsten Sinne des Wortes „bigger than life“ ist: dem sogenannten Markt oder auch Weltmarkt. Der Weltmarkt soll in der Lage sein, alles zu regeln. Dass das so, wie es die Liberalen in Aussicht stellen, nicht mal Gott geschafft hat, hängt mit dessen oben erwähnter kleinkarierter Detailvernarrtheit zusammen.

Unter diesen Voraussetzungen wird der Weltklimabericht vielen „Leuten“ (Friedrich Kittler) zum Ausdruck der Verheerungen eines regulierten Marktes – hätte man immer schon und ganz heftig auf Atomenergie gesetzt, hätten wir jetzt das Problem mit dem Kohlendioxid in der Atmosphäre nicht. Das Atom aber gilt vielen Menschen nicht erst seit dem letzten Störfall in Forsmark wieder als unkontrollierbares Teufelswerk. Damit schließt sich der Kreis der großen Reden. Mit Gustave Flaubert, der von sich sagte, dass er zum Glück angesichts der Weltlage nicht sonderlich sensibel sei, kann man fragen, ob man Leuten trauen kann, die einen Star nicht von der Amsel, eine Birke nicht vom Spitzwegerich und ein Schaf nicht von einem Lamm unterscheiden können? Die über 2.500 Wissenschaftler und ihre Detailstudien, aus denen der Bericht für die Politiker zusammengestellt wurde, gehen in den Kommentaren der Medien jedenfalls unter. Was sie mühsam ausdifferenziert haben, wird auf die eine Katastrophenformel gebracht. Was ist also zu tun?

In Abwandlung einer Empfehlung, die der Philosoph Alexandre Kojève 1968 den rebellierenden Studenten an der Freien Universität Berlin gab, muss man raten: Studieren Sie die Nachtfalter in Ihrer Umgebung. Sie werden staunen, wie genau man an den kleinen Geschöpfen im Park um die Ecke, im Garten oder auf dem Balkon studieren kann, was das heißt, dass die Erde wärmer wird. CORD RIECHELMANN