Sprachgewirr auf allen Kanälen

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterwegs im Nahen Osten: Die Wirtschaftsdelegation ist genauso groß wie die Rede vom Frieden. Doch echte Vorschläge für einen „Gesamtplan für Nahost“ hat die Kanzlerin genauso wenig wie ihre Gesprächspartner

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Man könnte glauben, die erste Pressekonferenz der viertägigen Nahostreise von Bundeskanzlerin Angela Merkel habe nicht in Kairo, sondern in Babylon stattgefunden. „Hallo“, ruft die Kanzlerin in die Runde „ich habe keine Übersetzung.“ Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hatte Angela Merkel gerade in seiner Rede höflich auf Arabisch begrüßt, da unterbricht die Kanzlerin ihn mit einem „Lasst uns noch einmal von vorne anfangen“, und Mubarak setzt erneut an. Merkel schüttelt Kopf und Kopfhörer. „Ich verstehe immer noch nichts.“ Mubarak antwortet mit einem zunehmend ungehaltenen „Kann mal jemand übersetzen!“ Er könne Französisch, aber leider kein Deutsch, überspielt er die Szene. „Aus der Kabine eins, die Deutsch übersetzen soll, kommt nichts“, insistiert die Kanzlerin, und Mubarak beginnt seine Begrüßung von vorne. „Macht doch mal eine Probe“, forderte die Kanzlerin. „Auf welchem Kanal kommt jetzt Arabisch“, fragt Mubarak. Beim dritten Anlauf ist zur Erleichterung aller die Verständigung endlich hergestellt.

Nach der Überwindung des babylonischen Sprachgewirrs bleibt der Rest schließlich unverbindlich allgemein. Merkel forderte einen „Gesamtplan für Nahost“, ohne allerdings selbst als gegenwärtige EU-Vorsitzende irgendwelche Initiativen vorzulegen. Einig waren sich Merkel und Mubarak in ihren jeweiligen Sprachen, dass zunächst das Problem unter den Palästinensern gelöst werden müsse, bevor verhandelt werden könne. Mubarak zeigte sich zuversichtlich, dass demnächst ein Rahmen für den innerpalästinensischen Konflikt zwischen Fatah und Hamas, der seit Dezember im Gaza-Streifen mehr als 60 Menschenleben forderte, gefunden werde. „Wir arbeiten an einer Regierung der nationalen Einheit“, erklärte der ägyptische Staatschef, mahnte aber zu Geduld. Später hieß es aus deutschen Delegationskreisen, der Knackpunkt sei, einen palästinensischen Innenminister zu finden, der sowohl bei Hamas als auch bei Palästinenserpräsident und Fatah-Chef Mahmud Abbas Anerkennung finde.

Doch Mubarak klagte mehr internationale Unterstützung ein. „Alle internationalen Kräfte müssen hier zusammenarbeiten“, verlangte er. Im Alleingang könne weder die USA noch Europa noch Ägypten noch die arabischen Staaten etwas erreichen, erklärte er.

Die Frage nach der ägyptischen Position zum iranischen Atomprogramm nutzte Mubarak für einen Seitenhieb auf die Atommacht Israel. „Weder Europa noch die USA wollen, dass es in der Region noch eine weitere Atommacht gibt, zusätzlich zu der, die bereits existiert“, sagte er. Ägypten habe sich stets für einen Nahen Osten frei von Massenvernichtungswaffen stark gemacht. Das Problem Iran, fügte er hinzu, liege vor dem UN-Sicherheitsrat, und er hoffe ernsthaft, dass dieses Problem ohne einen Militäreinsatz gelöst werden könne.

Eine positive Wirtschaftsentwicklung in den arabischen Staaten sei eng mit dem Nahost-Friedensprozess verknüpft, erklärte Merkel dann am Sonntag bei der Eröffnung eines deutsch-ägyptischen Wirtschaftsforums in Kairo. Dort schlug die Stunde der hochrangigen 40-köpfigen Wirtschaftsdelegation, die Merkel zusammen mit Wirtschaftsminister Michael Glos begleitet. Die Deutsche Bank, die Commerzbank, Siemens, MAN und Wintershall sind mit Vorstandsmitgliedern vertreten. Energieunternehmen RWE und ThyssenKrupp, aber auch Rüstungsfirmen hoffen auf Abschlüsse.

Tatsächlich befindet sich derzeit jeder in einem Dilemma, der im Nahen Osten Geschäfte machen will. Die Region boomt wirtschaftlich, aber jede Entwicklung wird von den politischen Krisen bedroht. „In der Region sind durch die hohen Öleinnahmen ungeheure Geldmengen und damit auch gute Chancen für die deutsche Exportwirtschaft vorhanden“, sagt Peter Göpfrich, der Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Kairo, zur taz. „Durch die Erhöhung des Ölpreises tauchen im saudischen Haushalt täglich 180.000 Millionen zusätzliche Dollar auf, mit denen man zuvor nicht gerechnet hatte. Die saudische Kaufkraft ist weltweit einzigartig“, sagt Göpfrich.