Aua! Aua! Aua!

Ein Sender wie YouTube: Der Männerkanal DMAX versammelt Videoschnipsel von der Zurichtung maskuliner Körper – verletzte Moderatoren inklusive. Das ist wohl das Fernsehen der Zukunft

Von Clemens Niedenthal

Manchmal muss Fernsehen wehtun. Bei DMAX hat der Schmerz Programm, liegen Arme in Schlingen und Moderatoren schon einmal im Krankenbett. Carsten van Ryssen hat es bereits erwischt. Der Mann aus der „Polylux“-Redaktion hat sich beim Autofahren die Schulter gebrochen. Im steilen Drift, bei ziemlich vielen Stundenkilometern; beim Dreh für das Automagazin „D Motor“, zu dessen Moderatorenteam van Ryssen gehört.

Das sind die Bilder, die DMAX will und die DMAX braucht. Das „JackAss“-Prinzip sozusagen. Fernsehen, das unter die Haut geht, das den Körper – wenigstens den der Moderatoren – radikal berührt. Als letzte, aggressive Vergewisserung, dass das hier vom Leben handelt. Nicht bloß von der nächsten virtuellen Welt. Momentan moderiert sich die tätowierte Lina, ein „Tuning-Engel“, einarmig durchs Programm. Ebenfalls die Schulter, bei ihr war es ein Surfunfall. Wieder waren die Kameras nicht weit.

Ein Totenkopf, darunter ein Paar gekreuzte Gehhilfen, so sieht bekanntlich das Logo der MTV-Brachialshow „JackAss“ aus. Sollte das am 1. September 2006 auf der Frequenz des Reportagesenders XXP gestartete DMAX nach etwas Ähnlichem suchen, wäre wohl ein getunter Krankenwagen das passende Motiv. Tiefgelegt und breitbereift, mit Martinshorn und Rallyestreifen. Maschinen- und Menschenkörper, mit Vorliebe auch im defekten, erschöpften Zustand, sind das Inventar dieser Fernsehidee, die in Blogs und Internetforen schon mal als die „wirklich wahre Sehnsucht von uns Männern“ belobhudelt wird: „Endlich mal ein Sender nur mit Technik, Maschinen und Dreck.“

Nur dass sich das die Blogautoren nicht selbst ausgedacht haben. Sie haben es es aus den Investitionsplänen und Selbstdarstellungen des Discovery-Channel-Ablegers abgeschrieben. Mit anderen Worten: DMAX erfüllt mindestens so sehr die Erwartungen seines zu drei Vierteln männlichen Publikums, wie es sie überhaupt erst konstruiert. Hier hat Männerfernsehen wirklich vom Frauenfernsehen gelernt. Weshalb DMAX auch so etwas wie ein männliches „Sex and the City“ sein könnte: die Erfindung eines maskulinen Kollektivkörpers, der sich an seinen vermeintlichen Konstanten weidet: rasen, schrauben, schweißen, zerstören, leiden. This is a man’s world, mit feinstdosierten Ausflügen in eine spätmoderne, genderdiskursive Ironie.

Von der ist freilich nichts mehr zu spüren, wenn der Brite Ashley Haynes für „Die härtesten Jobs der Welt“ im Ausbildungscamp kolumbianischer Drogenfahnder landet: „Der Kommandant hatte sich ein Ziel gesetzt: Er wollte mir beweisen, dass ich ein submaskulines Wesen bin.“ Ashley Haynes aber, das dürfte DMAX-Zuschauer beruhigen, hatte sich „innerhalb weniger Tage in eine Tötungsmaschine verwandelt“. Von der Couch in den kolumbianischen Drogenkrieg ist es kein weiter Weg. Ein Draufgänger steckt in uns allen.

Wollte man DMAX als Avantgarde der deutschen Fernsehlandschaft lesen, dann bezüglich des Umgangs mit und der Simulation ihrer digitalen Medienkonkurrenz. Das Internet ist auf DMAX allgegenwärtig. Zum einen, weil das Netz als alltägliche, selbstverständliche Kulturtechnik begriffen wird. „Der Checker“ etwa – ein junger Mann, der für andere junge Menschen den perfekten Gebrauchtwagen findet – sucht seine Mobile natürlich im Internet. Und schickt danach penetrant viele Handyfotos durch die Gegend. „MMS-Botschaften“, wie Tina, die mit der kaputten Schulter, sekundiert. Schon bei „Pimp my Ride“ – einer Show, von der der Sender viel gelernt hat – wurde ja immer die neueste digitale Technik in den gepimpten Wagen verbaut.

Vor allem aber funktionieren viele DMAX-Beiträge frappant wie ein YouTube-Clip: Auf kurze, nicht unbedingt von Absolventen einer Filmhochschule eingefangene Sinneinheiten folgt die Pointe, der Crash, das Schulterklopfen. DMAX bietet vollendetes Hop-on-Hopp-off-Fernsehen, gemacht auch für die Werbepausen auf den Nachbarkanälen. Und gemacht für die Kurzatmigkeit einer sich wandelnden Mediennutzung. Das Medium von DMAX ist der Clip – weswegen auch die Spannungsbögen in den größeren Reportagen, vorzugsweise über Autorennen oder Tätowierstudios, immer nur wenige Einstellungen überbrücken. DMAX kennt offensichtlich sein Publikum. Alle anderen werden DMAX kennenlernen. Denn wahrscheinlich sieht Fernsehen in Zukunft immer öfter so aus.