berliner szenen Marotten älterer Herren

Max Goldt im BE

Rumm-tumm-tumm. Rumm-tumm-tumm, ruft Max Goldt. Er sitzt auf der Bühne vom Berliner Ensemble und liest sich quer durch seine Texte der letzten Jahre. Rumm-tumm-tumm. Rumm-tumm-tumm. Das ist nicht der Vergaser. Es ist der Kontrabass einer adrett gescheitelten Kombo, die gerade dabei ist, die unschuldigen Töchter eines deutschen Mittelgebirgsdorfes gefügig zu machen. Goldt, dem der Friseur einen korrekten Bürstenhaarschnitt verpasst hat, erzählt über einen dieser Heimatfilme aus den Fünfzigern, deren Konsum untrüglicher Beweis für eine fette Sonntagsdepression ist.

Obwohl ich relativ nah an der Bühne sitze, kann ich nicht erkennen, was auf der Rückseite der Blätter ist, von denen Goldt abliest. Kleine Bildchen, Text, chinesische Schriftzeichen? Ich frage mich, ob Goldt zu den Pfennigfuchsern gehört, die auf der Hinterseite aussortierter Kopien neue Texte drucken. Er wird ja bald fünfzig. Mit zunehmendem Alter sollen solche Marotten zuweilen auftreten. Mir ist zum Beispiel eine relativ gut situierte Dame bekannt, die nächtelang Papierservietten, die im Hunderterpack schätzungsweise 2,99 Euro kosten, in die dünnen Einzelpapierschichten zerlegt, aus denen so eine Papierserviette in der Regel besteht. Mit etwas Geduld sind auf diese Weise aus einer Papierserviette drei gemacht, deren Dicke, wie mir die Dame versichert hat, allemal zum Mundabwischen ausreicht.

Max Goldt nimmt einen neuen Text, und wieder sehe ich undefinierbare Bild- und Textschnipsel auf der Rückseite. „Siehst du, was ich sehe?“, flüstere ich Meike zu und nicke zu dem beleibten Mann auf der Bühne hinüber. „Horst Seehofer?“, flüstert sie zurück. Rumm-tumm-tumm. Rumm-tumm-tumm.WIEBKE POROMBKA