Die CDU-Anhänger sind Kohl hörig

■ Der Altkanzler wird in Lübeck gefeiert. Denn: Was ist bei den Sonderkonten schon dabei?

Als Helmut Kohl das Podium betritt, spielt die Blaskapelle „Oh, when the saints go marching in“. Die Menschen in der Lübecker Musik- und Kongresshalle (MUK) stehen auf und skandieren: „Helmut, Helmut!“ Im Foyer versichern Mitarbeiter der Vermögensberatungsfirma AWD, dass man Geld braucht, um sich etwas leisten zu können. „Mehr Geld.“

Nach seiner mittäglichen Beichte in Berlin war der Ex-Bundeskanzler stante pede an die Ostsee abgedüst, seinem ehemaligen Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt, Hans-Achim Roll, den Rücken zu stärken. Dem Mann, der für die CDU das Lübecker Rathaus erobern soll, ist es „eine Ehre, dass der Kanzler von 16 guten Jahren heute bei uns ist“.

Dass der ehemalige Parteivorsitzende schwarze Kassen an der Öffentlichkeit und am Fiskus vorbei führen ließ, stört hier nur einen jungen Mann in Jeans und Trekking-Stiefeln, der die Reden zornig kommentiert.

Der Lübecker Gerhard Selhausen diskutiert bei Weißwein und Pils mit zwei Freunden die Lage. „Vollkommen ist niemand, aber bestechlich ist er nicht“, fasst Selhausen zusammen. „Das hätt' er auch vor zehn Jahren sagen können“, tadelt Dieter Hormann.

Damit ist das Maß der Kritik auch schon voll. „Man muss sich von der Summe freimachen“, sagt Selhausen zur Million im Koffer des Walther Leisler Kiep. „Das kommt ja aus dem arabischen Raum.“ Da seien solche Geldgeschenke Usus. „Wenn Sie jetzt ein gutes Geschäft machen und, sagen wir, 10.000 Mark Gewinn machen, und sie geben 1.000 Mark dem Vermittler“, fantasiert Hormann, dann sei das keine Bestechung. Man zeige sich auf diese Weise nur erkenntlich. Die drei kennen das vom Bau.

Ob sich Kohl mit Überweisungen aus der schwarzen Kasse CDU-Landesverbände gefügig gemacht haben könnte? „Das hat er nicht nötig“, vermutet Hormann. „Wissen Sie, CDU-Wähler sind hörig.“ Kritik an der Führung sei tabu – im Gegensatz zu den Verhältnissen bei der SPD. Das sei eben „Schröders Verhängnis“.

Ganz auf Linie hatte sich Volker Rühe, CDU-Spitzenkandidat für die schleswig-holsteinische Landtagswahl am 27. Februar, zuvor gegen eine „Diffamierung“ des Ehrenvorsitzenden der CDU gewandt. Am Nachmittag, beim Bummel durch die Altstadt, hätten sich „Szenen des Vertrauens und der Zuneigung“ abgespielt, berichtet Rühe. Kohl lehnt sich zurück und genießt.

Die Geld-Leute vom AWD sehen die „Anderkonten“ mit Humor. „Wir hatten ursprünglich den Slogan vor: Wir haben die Schweizer Konten für ihr Schwarzgeldkonto“, witzelt einer hinter vorgehaltener Hand. Und Ralph Lehmann, ehemals CDU-Ortsvereinsvorsitzender in Reinfeld bei Lübeck, offenbart als „Privatmeinung“: „Was soll's!“ Schließlich sei niemand unmittelbar geschädigt worden. „Ich vermute, das wird in allen Bereichen so sein.“

Gernot Knödler, Lübeck