Querspalte

■ Der Kuss der Spinnerfrau

Ich mag Ricky. Ricky ist „jung, fröhlich und für alles offen!“. So steht es im Sat.1-Videotext. Für einen Amerikaner spricht er sogar richtig gut Deutsch. Okay, es gibt da Probleme mit den Artikel und die Fälle. Aber ohne einen, gern auch antrainierten Dativdefekt, den so genannten Kasus Knack, hat man heute keine Chance im Fernsehen.

Ricky ist voll fair. Der legt dich nicht rein wie Vera am Mittag. Ricky sagt drollige Sachen wie: „Horst, meinst du nicht, dass du die Helga doll weh getan hast mit diese böse Worte?“ Ricky will „Hoffnung verbreiten und Hilfe anbieten“. Eine Fliege ohne Jürgen.

Fanny braucht Hilfe. Sie möchte sich mit einem Brandmal versehen und sucht Leute, die zugucken. Warum sollte Ricky sie abweisen? „Branding“ ist doch eine „Körperkunst“ wie jede andere, z. B. Eierabschneiding. „Mit einem 1.200 Grad heißen Eisen sollte einer 21-jährigen Arbeitslosen vor laufender Kamera ein Muster ins Bein gebrannt werden“, schaudert es die B.Z. „,Kuss des Feuers‘ sagen die Indianer zu dieser Technik.“ Wieder und wieder fragt der Ricky die Fanny, ob sie sich das alles genau überlegt hätte. Sie hat, und also riecht es im Studio bald nach angebrannter Kalbshaxe. Leider wirkt Fannys Wade eher bloody denn well-done. Notarzt. Tatütata.

Die Aufnahmen verschwinden im Keller. Bild kommt trotzdem an Fotos. Fred Kogel feuert die Redaktionsleiterin wegen „Folter-TV“. Die Süddeutsche Zeitung vermutet, der Springer-Verlag wolle Ricky ans Leder. Warum nur, warum? Ricky ist doch „spontan, einfühlsam und witzig“. Außerdem bringt er „nicht nur mit seinen Rastazöpfen, sondern auch mit seinen spannenden Themen frischen Wind in den Talk“. Und nur ausnahmsweise eine Brise wie aus dem Krematorium. Ich mag Ricky. Ricky ist total lieb. In echt! Macht meinen Kumpel nicht an! André Mielke