Revier ohne Struktur

Die Ruhrgebiets-SPD fürchtet um die Zukunft des Ruhrgebiets. Der Grund sind Pläne der Landesregierung, Fördermittel für den Strukturwandel in Zukunft landesweit zu verteilen

VON HOLGER PAULER

Die neu aufgestellte SPD im Ruhrgebiet will den Pott gegen die Landesregierung verteidigen. „Wir brauchen auch in den kommenden Jahrzehnten Gelder und Programme, um den Strukturwandel erfolgreich voran zu bringen“, sagte Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) der taz. Der Sprecher des seit vergangenen Freitag bestehenden Zusammenschlusses aus sozialdemokratischen Ruhrgebietspolitikern NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) vor, mit ihren Plänen die Zukunft des Ruhrgebiets aufs Spiel zu setzen.

Die gebürtige Dortmunderin hatte gestern im Interview mit der Westfälischen Rundschau erneut gesagt, der Strukturwandel in der ehemaligen Industrieregion sei so gut wie abgeschlossen. Fördergelder sollten in Zukunft in einem Wettbewerb unter den Regionen in Nordrhein-Westfalen gleichberechtigt verteilt werden. Ministerin Thoben hatte gerade mit Bezug auf das Ende der Kohleförderung und dem „weitgehenden Abschied von der Montanindustrie“ eine Konzentrierung auf alternative Energien und Gesundheitstechnologie gefordert.

„Frau Thoben sollte als Ruhrgebietspolitikerin das Revier besser kennen“, sagt Baranowski. Sie bediene mit ihren Äußerungen nur das „Klischee von der siechen Region“. Auf derartige Ratschläge aus Düsseldorf scheinen die Genossen verzichten zu können. „Die SPD im Revier weiß seit den 70er Jahren, wie Strukturwandel erfolgreich geht.“ Vor allem nach dem vermeintlichen Ende des Steinkohlebergbaus im Jahr 2018 müsse die Unterstützung weiter gehen. „Wir brauchen ein neuerliches Programm für Kohlerückzugsgebiete, um die Probleme, die auf uns zukommen, bewältigen zu können“, so Baranowski.

In welcher Höhe in Zukunft Mittel aus Land und EU in die ehemalige Montanregion fließen werden, ist derzeit offen. Bis zum vergangenen Jahr konnten Mittel aus dem so genannten Ziel-2-Programm nur aus dem strukturschwachen Ruhrgebiet gestellt werden, da nur dort die Voraussetzungen wegen entsprechend hoher Arbeitslosigkeit und ungünstiger geografischer Lage gegeben waren. Zwischen 2000 und 2006 flossen rund zwei Milliarden Euro ins Revier. Seit diesem Jahr können auch Städte Gelder aus dem Bergischen Land aus dem Europäischen Regionalfonds (EFRE) beantragen. Für den Zeitraum 2007 bis 2013 rechnet die Landesregierung mit mehr als zwei Milliarden Euro aus den Brüsseler Töpfen – die NRW-Problemregionen sollen sich mit guten Projekten einen Wettbewerb darum liefern.

„Das Ruhrgebiet muss sich dem Wettbewerb mit anderen Regionen stellen“, fordert der CDU-Fraktionschef im Regionalverband Ruhr (RVR), Roland Mitschke. Allerdings warnt er auch davor, den Wettbewerb beliebig zu forcieren. Die Landesregierung dürfe die Ruhrgebietskommunen nicht einfach wie Städten aus anderen Regionen behandeln. „Da haben die Strukturschwachen keine Chance.“

Dennoch fordert auch der RVR-Politiker eine Abkehr vom „alten Strukturwandel“. Die Politik der vergangen 30 Jahre sei nicht allzu erfolgreich gewesen. „Die Leuchttürme der Industriekultur haben zwar viel bewegt, aber letztlich keine Arbeitsplätze geschaffen“, so Mitschke.

Für die Ruhrgebiets-SPD trotzdem kein Grund, den Strukturwandel zu beerdigen. „Das Thema wird uns auch in zehn bis 15 Jahren beschäftigten“, sagte Frank Baranowski. Eine Einschätzung, die auch RAG-Chef Werner Müller teilt. Der Boss der ehemaligen Ruhrkohle glaubt, dass das Revier gerade erst dabei sei, sein Gesicht zu ändern.