Ordnung, Sauberkeit etc.
: Feudeln für den Frieden

■ Warum Bodentruppen durchaus heroisch sind, aber trotzdem in der Küche besser aufgehoben sind als im Kosovo

Manche entsichern ihren Revolver, wenn sie bloß das Wort „Kultur“ hören. Mir geht es umgekehrt: Ich kann selbst auf Begriffe wie „Bodentruppen“ nur pazifistisch reagieren und denke dabei allenfalls an heroische Putzkolonnen, die auf langen Fluren friedlich das Linoleum zum Glänzen bringen. Meine Bodentruppen sind stumme Diener der Sauberkeit, die nicht mit Waffen, sondern mit Lappen und Eimer hantieren. Militärisch erscheinen sie allenfalls in ihrer Disziplin und Ordnungsliebe, und so ist auch meine Antwort auf die derzeitige Gretchenfrage: „Brauchen wir Bodentruppen jetzt?“ ein klares Ja. Gegen ästhetische Säuberungen in der eigenen Wohnung ist nun wirklich nichts einzuwenden.

Früher nannte man Bodentruppen Infanterie. Doch dieser Begriff ist historisch belastet. Er läßt sich nicht denken, ohne das Sterben mitzudenken. Infanteristen waren die armen Schweine der Armee, zum Militär gepreßte Bauernsöhne, die in Reih und Glied in die feindlichen Gewehrsalven marschieren mußten. Infanteristen wälzten sich blutend im Staub, um dort von den Hufen der Kavallerie zertrampelt zu werden: viel Drecksarbeit und wenig Ehre.

„Bodentruppen“ klingt dagegen clean und harmlos und hält den Tod von den eigenen Reihen fern. „Bodentruppen“ sind Ausdruck des modernen Wunsches nach dem hygienischen Krieg, der nicht mehr als blindwütige Vernichtungs- und Zerstörungsorgie erscheinen will, sondern als kontrollierter Reinigungsprozeß in höherem Interesse. Die „Bodentruppen“ sind also die logische Verlängerung des aseptischen Luftkriegs. Aus der Luft – das weiß jeder Kinderzimmerabsolvent aus eigener Erfahrung – läßt sich zwar aufräumen. Da lassen sich in gezielten Operationen die gröbsten Unordnungsfaktoren vorübergehend entfernen. Doch ohne Bodentruppen keine Grundreinigung bis in die Ekken. Ohne Bodentruppen kein feuchtes Aufwischen und auch keine Oberflächenversiegelung. Gar nicht zu reden von dem, was unterm Teppich liegen bleibt. Wo Dreck ist, muß gesäubert werden. Die Ordnungslogik, die im Krieg wie selbstverständlich die Oberhand gewinnt, läßt schließlich gar keinen anderen Fortgang zu als die finalen Bodenbataillone: Nato, die tun was.

Schmutz- und Dreckmetaphern haben im Krieg Konjunktur: Ashes to ashes, and dust to dust. Das Böse muß sich materialisieren, um Meister-Proper-mäßig bekämpft und weggemobt werden zu können: Alles nur eine Frage des richtigen Reinigungsmittels; feudeln für den Frieden. Doch Metaphern machen blöd, und Soldaten sind bekanntlich keine Putzkolonnen. Im Krieg sind sie zum Töten da und putzen höchstens die eigenen Stiefel blank, wie sie es in der Grundausbildung geübt haben. Das kollektive Sauberkeitsbedürfnis wendet sich in der Figur des adretten Soldaten demonstrativ zurück aufs eigene Erscheinungsbild: Wir sind die Guten.

Wer jetzt nach Bodentruppen schreit, um sich von der Betrachtung des irrsinnigen Luftkrieges zu erlösen, sollte sich überlegen, ob er auch mit der Infanterie zufrieden wäre. Es geht ja nicht ums Saubermachen. Es geht ums Sterben.

Jörg Magenau