Nato bedauert Bombe auf Flüchtlinge: Krieg ist Krieg

■ Allianz räumt versehentlichen Angriff auf einen Konvoi im Kosovo ein und schiebt Jugoslawiens Präsident Milosevic die Verantwortung für den „bedauerlichen Vorfall“ zu. Rußland verlangt eine umgehende Aufklärung des „verbrecherischen Akts“

Brüssel/Bonn/Moskau (AFP/dpa/taz) – Die zivilen Opfer des Angriffes auf einen Konvoi albanischer Flüchtlinge im Süden des Kosovo gehen auf das Konto der Nato. Gestern nachmittag räumte die Allianz einen versehentlichen Bombenabwurf auf ein ziviles Fahrzeug ein. Dies sei das Ergebnis bisheriger erster Ermittlungen. Auch habe es bei dem Angriff vom Mittwoch Tote gegeben, deren genaue Anzahl aber noch nicht bekannt sei.

Serbische Behörden hatten die Nato beschuldigt, bei der Militäraktion mindestens 64 Menschen getötet zu haben. Nach Berichten des serbischen Medienzentrums in Pristina sollen Nato-Flugzeuge zwei Konvois heimkehrender Kosovo-Albaner angegriffen haben. Beim ersten Bombardement seien 20 Menschen und beim zweiten 44 getötet worden. In einer vom staatlichen Fernsehen verbreiteten Erklärung sagte der serbische Ministerpräsident Milan Milutinovic, der Angriff sei eine zielgerichtete Aktion der Nato gewesen und könne nicht als Irrtum bezeichnet werden. In einer Erklärung der Nato-Kommandozentrale Shape in Mons/Belgien hieß es: „Die Nato bestätigt nach ersten Ermittlungen, daß eines ihrer Flugzeuge gestern offenbar versehentlich eine Bombe auf ein ziviles Fahrzeug in einem Konvoi abgeworfen hat. Serbische Polizei- oder Armeefahrzeuge haben sich möglicherweise in oder um den Konvoi befunden. Wir können die Zahlen der serbischen Quellen nicht bestätigen, doch bedauert die Nato jedweden Schaden, den sie unschuldigen Zivilisten zugefügt haben mag, und erinnert daran, daß die Umstände, die zu diesem Unfall geführt haben, vollständig in der Verantwortlichkeit von Präsident Milosevic und seiner Politik liegen. Die Nato trifft weiterhin außerordentliche Maßnahmen, um Nebenschäden zu vermeiden.“

Überdies ändere der Vorfall nichts daran, daß die Luftangriffe weiter gerechtfertigt seien. Die Allianz habe die Operation gestartet, um Leben zu retten, sagte Nato-Sprecher Jamie Shea. Der Pilot der US-Maschine vom Typ F-16 sei bei dem Angriff davon überzeugt gewesen, einen Militärkonvoi vor sich zu haben. Die Bombe sei aus 15.000 Fuß Höhe abgeworfen worden. Es war das dritte Mal, daß die Nato zivile Ziele getroffen hat.

Die Bundesregierung bezeichnete die Bombardierung des Flüchtlingskonvois als „bedauerlichen Vorfall“. „Wir bedauern diesen Vorfall zutiefst“, sagte Staatssekretär Peter Wichert gestern. Wichert betonte, die Piloten der Nato unternähmen alles, um Schäden für Zivilisten auszuschließen. Dennoch könnten solche Vorfälle bei Kriegshandlungen geschehen.

Großbritanniens Premierminister Tony Blair erklärte, für jedes Leiden in Jugoslawien sei Milosevic verantwortlich. Sein Sprecher sagte, Blair bedauere den Tod jedes einzelnen Zivilisten, „man dürfe aber nicht alles glauben, was die Serben sagen“. Blairs Außenminister Robin Cook sagte an die Adresse der jugoslawischen Regierung gerichtet: „Wie können sie es wagen, jetzt Krokodilstränen für die Opfer eines Konflikts zu vergießen, für den sie verantwortlich sind?“

Rußlands Führung zeigte sich gestern „zutiefst empört“ über den „verbrecherischen“ Luftangriff der Nato auf den Flüchtlingskonvoi. In einer Erklärung des Außenministeriums in Moskau wurde der Angriff als „neuer verbrecherischer Akt“ bezeichnet, der „die groben Verstöße der Allianz gegen internationales humanitäres Recht“ beweise. Bericht Seite 3