Jugendliche in der Jugend gefangen

Die Fotografische Sammlung des Folkwang Museums zeigt gleichzeitig zur Auguste-Rodin-Ausstellung Porträts der niederländischen Fotografin Hellen van Meene: Pausbäckige Teenager und minderjährige Mütter

Eines haben die Modelle der Fotografin Hellen van Meene gemeinsam, egal ob sie in Riga, in Tokio, in Amsterdam, in Berlin oder in Essen fotografiert wurden: Sie sind jung. Seit 1995 verfolgt die Künstlerin das Thema der körperlichen und seelischen Wandlungen während der Pubertät. Sie fotografiert pausbäckige Mädchen und androgyne Jungen, deren unterschwelliges Unbehagen an der eigenen erwachenden Körperlichkeit mal mehr, mal weniger deutlich zu spüren ist. Manche der minderjährigen Frauen – die Künstlerin hat 2004 eine eigene Serie aus ihren Bildern gemacht – haben schon ein Kind bekommen oder sind gerade schwanger.

Hellen van Meene (geboren 1972 in Alkmaar) hat, wie vorher schon ihre mit ähnlichen Modellen arbeitende Kollegin Rineke Dijkstra, an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam Fotografie studiert, ein Jahr am schottischen College of Art in Edinburgh verbracht und lebt heute in Heiloo bei Alkmaar. Ihre Porträts sind Bilder der offensichtlichen Scheu und der versteckten Träume der großen Kinder, die auf das Erwachsenwerden warten. Die Mädchen schließen die Augen, posieren kokett oder verschleiern sich mit einer Gardine. Sie blicken über die Schulter oder aus dem Fenster. Pärchen klammern sich aneinander und sind konzentriert damit beschäftigt ins Leere zu schauen.

Gerade weil in der Essener Ausstellung mehrere Einzelserien zusammen ausgestellt sind, ist die Sehnsucht als zentrales Motiv der Bilder erkennbar. Und mit dieser Sehnsucht die Schönheit der jugendlichen Unvollkommenheit. So bieten die anrührenden Fotografien eine wunderbare Folie für emotionale Zuschreibungen. Aber die Künstler-Regisseurin scheut sich nicht, die Inszeniertheit ihrer Porträts offen zulegen: Das allzu kess den Bauch hochgerutschte T-Shirt, das eine kleine Speckrolle herausblitzen lässt, die im engen Pullover wie in einer Zwangsjacke eingeklemmten Arme, den schmalen Lichtstreifen an der roten Mauer.

Dass die Porträts mitunter an Film Stills erinnern, liegt an der Art und Weise wie Farbe, Licht und Schatten als dramatisierende Elemente eingesetzt, wie Location und Styling auf das Motiv abgestimmt sind. Es sieht so aus als wolle die Künstlerin gemeinsam mit ihren Modellen eine Geschichte erzählen – doch niemandem fällt so richtig etwas ein. Die Fotografien Hellen van Meenes sind Bilder der verletzlichen und starken Jugend, der schlingernden Suche nach einer Selbstkonstruktion und es sind Bilder, die wir alle irgendwie in uns tragen. KATJA BEHRENS

Bis 25. Februar 2007