Zwischen den Rillen
: Handel mit Geheimnissen

■ Echos aus der Techno-Tiefe: Berliner Gespinste von Pole und Monolake

Schon einige sind darüber verzweifelt, aus ihren Musikmaschinen, aus Drum-Computern, Sequenzern und Samplern nicht ihren eigenen Sound gewonnen zu haben. Den singulären Sound, der sie einerseits von den vorgegebenen Parametern der Geräteeinstellung befreit und von den jeweiligen Klängen anderer Produzenten unterscheidet. Der Vorwurf des Epigonalen oder Einfallslosen trifft um so härter dort, wo der Nachklang der Vorläufer gleichgesetzt wird mit dem Verdacht, man hätte die Gebrauchsanweisung der benutzten Apparate zu beflissen studiert.

Einem ist es aber gelungen, im unendlichen Feld der klanglichen Möglichkeiten einen Sound zu finden, den man sofort erkennt und als den seinen identifiziert. Es ist eine Art Knacksen, das Stefan Betke zu einem feinen rhythmischen Geflecht spinnt, ein Knacksen, moduliert zwischen Rauschen und akzentuiertem Taktgeber, immer etwas neben der Spur. Dieses Knacksen ist zum Markenzeichen seines Projekts Pole geworden, mit dem der in Berlin lebende Betke jetzt sein zweites Album veröffentlicht hat.

Das Geräusch kommt aus einem Pole-Filter der Marke Waldorf, ein von Produzenten elektronischer Musik nicht gerade selten benutztes Gerät. Betkes Exemplar ist ihm irgendwann mal heruntergefallen und gibt seitdem, stellt man es an, dieses Störgeräusch von sich. Modern erschien zu allen Epochen jene Musik, die ihre technischen Voraussetzungen thematisierte. Daß, entgegen allen Beteuerungen der betreffenden Musiker, ein grundsätzlicher Zwist zwischen kreativem Ausdruck und dazu notwendigem Gerät, sprich: zwischen Mensch und Maschine besteht, kann man leicht daran erkennen, daß die technischen Mittel als künstlerisches Element nur mißbraucht, fehlerhaft oder gar zerstört auftauchen. So führt eine historische Linie vom ersten Feedback, das aus einem Gitarrenverstärker kam und als musikalischer Bestandteil eines Songs auftauchte, zu den manipulierten CDs, die den Sound von Oval ausmachen. In dieser Perspektive ist auch die Musik von Pole zu sehen, auch wenn sie sich nicht, genausowenig wie die aller Vorläufer, auf diesen Aspekt reduzieren läßt.

Nicht unwichtig ist dabei, daß Stefan Betke Tontechniker ist und in einem weltweit geschätzten Mastering-Studio arbeitet. Der Blick des Ingenieurs durch das Material hindurch auf seine Bedingungen ist ihm deshalb alles andere als fremd. Und seitdem er als Produzent – und damit als Künstler – einige Berühmtheit erlangt hat, führen andere, an deren Produktionen er letzte Hand angelegte, gerne seinen Namen auf ihren Platten, wenn auch kleingedruckt, an.

Das Knacken des Pole-Filters ist ein angenehmes Geräusch, und die Musik, die Betke daraus macht, wird noch angenehmer dadurch, daß sie von einer reggaehaften Leichtigkeit bestimmt ist. Über seinen Tracks liegt ein Flimmern, in dem Echos, Halls und Dub- Effekte Gespinste bilden, die sich hier und da verdichten und dann, kaum wahrgenommen, im Nichts auflösen. Zusammengehalten werden diese ganz bescheiden auftretenden Sound- Gebilde durch einen Bass, der die Tracks einerseits gemächlich voranschiebt und andererseits den Gegenpol zur hochfrequenzigen Klangkulisse bildet.

Auf Poles zweitem Album wird der Bezug zum historischen Dub noch etwas verstärkt, es beginnt sogar mit einer deutlichen Erinnerung an Augusto Pablos Melodika. Diese Adaption bewegt sich allerdings in einem Rahmen, der typisch ist für eine bestimmte Szene Berliner Produzenten elektronischer Musik. Seit Jahren wird dort an einer Art von Techno gearbeitet, die das Genre durch eine Vertiefung des Sounds erweitert. Und aus dieser Tiefe schallen die eigenen Eingaben als leicht befremdliche Echos zurück.

Das ist auch bei Monolake der Fall. Das Berliner Duo, Gerhard Behles und Robert Henke, hat gerade sein zweites Album veröffentlicht. Machen die Track-Titel „Fahren“, „Stadt“, Streit“ oder „Huckepack“ aus Poles Album noch ein gemächliches Roadmovie durch den Alltag, tritt bei Monolake gleich alles in einen größeren Rahmen. Von ihrem ersten Album „Hongkong“ sind sie jetzt auf den „Interstate“ eingebogen, und die Titel der Stücke wie „Gecko“, „Amazon“ und Terminal“ machen deutlich, daß sie weiterhin exotisch-international ausgerichtet bleiben. Sie sind dabei auch ein ganzes Stück weitergekommen.

Bei aller Retardierung, die durch die ständigen Echos, Delays und das Verschwinden von Klängen in ewigen Hallräumen immer bewußt bleibt, zeigen ihre neue Stücke doch einiges mehr an rhythmischer Präsenz, die am Horizont sogar die Ankunft auf dem Dancefloor möglich erscheinen läßt. Remixe werden das Ihre sicher leisten. Der funktionale Aspekt ist in den ausladenden, sich über viele Minuten hinstreckenden Arrangements sich aufwölbender und in sich sich zusammensackender Sounds dieses Albums allerdings noch gut verschlossen. Sie handeln weiterhin mit Geheimnissen. Niemand weiß, was eigentlich ein Monolake ist. Martin Pesch

Pole: „2“ (Kiff SM/Connected)

Monolake: „Interstate“ (Imbalance/Efa)