Bomben zum Wahlkampfauftakt

■ Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern fordern täglich neue Opfer. Israels Regierung macht die Untergrundorganisation Hamas dafür verantwortlich

Jerusalem (taz) – Ein israelischer Geheimdienstoffizier, der Mittwoch nacht bei einer Schießerei südlich von Hebron im Westjordanland schwer verletzt worden war, ist gestern morgen seinen Verletzungen erlegen. Der Offizier gehörte einer Undercovereinheit an, die verdächtige Bewegungen in der Nähe der israelischen Siedlung Otniel untersuchen sollte. Als Palästinenser verkleidet, operieren Undercovereinheiten seit Jahren in den besetzten Gebieten. Von den zwei mutmaßlichen Angreifern wurde einer bei dem Feuergefecht schwer verletzt, der zweite konnte entkommen.

Der Chef der israelischen Grenzpolizei im Westjordanland bestätigte gestern diese Angaben, nachdem zunächst widersprüchliche Meldungen über die Zahl der Verletzten und die Identität des Toten verbreitet worden waren. Nach dem Schußwechsel habe eine Suchaktion in einem nahegelegenen Waldstück stattgefunden, bei der auch Hubschrauber eingesetzt wurden. Dabei sei es zu weiteren Schußwechseln gekommen. Bereits im Oktober waren an derselben Straßenkreuzung zwei israelische Soldaten beschossen worden. Wenige Wochen zuvor war ein israelischer Siedler aus Otniel von Beduinen bei einem Streit über Landrechte getötet worden.

Nach Rundfunkberichten riegelte die israelische Armee gestern das nahegelegene palästinensische Dorf Azzariyeh ab und nahm bei einer Durchsuchung vier Männer fest. Sowohl die israelische Armee als auch die palästinensische Polizei errichteten Straßensperren. Laut palästinensischen Angaben gehen die Angriffe in dieser Region auf die islamische Untergrundorganisation Hamas zurück. Erst in der vergangenen Woche war ein israelischer Transitbus in der Stadt beschossen worden. Drei Frauen aus der Siedlung Kiryat Arba waren dabei verletzt worden. Die anschließende Ausgangssperre im israelisch kontrollierten Teil der Stadt und die völlige Abriegelung der Umgebung Hebrons hatten zu massiven Auseinandersetzungen mit der Armee geführt, in deren Verlauf zwei Palästinenser erschossen wurden.

Vieles spricht nach Ansicht von Beobachtern dafür, daß Hamas mit den jüngsten Überfällen aktiv in den israelischen Wahlkampf eingreifen will. Diese Art von „Wahlkampf“ dürfte der Palästinensischen Autonomiebehörde nicht gelegen kommen. Muß sie doch damit rechnen, daß dies Wasser auf die Mühlen der israelischen Regierung und der rechtsextremen Parteien in Israel ist.

Erst in dieser Woche gab die israelische Polizei Informationen preis, laut derer sie bereits am 24. Oktober vergangenen Jahres ein Mitglied des Islamischen Jihad in Jenin festgenommen hat. Nach Polizeiangaben war er mit einem Aktenkoffer voller Sprengstoff nach Jerusalem gereist. Er habe sich in einem israelischen Bus in die Luft sprengen wollen. Angesichts von massiven Polizeikontrollen in der Nähe der israelischen Siedlung French Hill in Ostjerusalem habe er sich zur Umkehr entschlossen. Laut Gerichtsakten soll einer seiner Komplizen am sechsten November bei dem Anschlag auf dem Jerusalemer Mahane Jehuda Markt ums Leben gekommen sein. Die israelische Polizei rechnet während des israelischen Wahlkampfs mit weiteren Anschlägen der islamischen Untergrundorganisationen. Georg Baltissen