Mehr als eine Stimme überm Durst

■ Gelassen präsentierte sich die Große Koalition zur Senatsnachwahl. Trotz Erschütterungen in beiden Parteien kann man sich in Berlin auf die Beständigkeit des Bündnisses doch stets verlassen

Das Gruppenbild mit Dame war schon um 13 Uhr in der Dunkelkammer gelandet. Gabriele Schöttler, Eckart Werthebach und Wolfgang Branoner hatten gestern bereits als neues SenatorInnenteam in die Kameras gelächelt, als der Wahlgang im Preußischen Landtag noch lange nicht an der Reihe war.

In Berlin tobt man, man dilettiert ein wenig, aber im entscheidenden Augenblick ist Beständigkeit die erste Bürgerpflicht. Alle wurden sie gestern wie versprochen gewählt, alle mit zumindest für Berliner Verhältnisse vorzeigbaren Ergebnissen. Und Pannen gab's nur im üblichen Maße.

Wolfgang Branoner zum Beispiel. Da gönnte die Opposition dem scheidenden Wirtschaftssenator noch einen kleinen Auftritt und bombardierte ihn vor der Wahl seines Nachfolgers mit mündlichen Anfragen zur Wirtschaftspolitik. Die letzte Frage zu Berlin als Kompetenzzentrum der Verkehrstechnik erreichte den Senator nicht mehr. Pieroth hatte den Saal verlassen, und auf seinem Platz saß schon sein designierter Nachfolger Wolfgang Branoner. Schnittig erhob sich der Kandidat, stellte das Mikrofon auf und holte zu einer inhaltlichen Replik aus. „Der Senator ist im Raum, der muß antworten“, quakte es da plötzlich aus den Reihen der grünen Opposition. Renate Künast, die Fraktionschefin, hatte mit scharfem Blick den Senator an der Tür erspäht. Und Parlamentspräsident Herwig Haase mußte ihr recht geben: „Entweder Elmar Pieroth verläßt den Saal, oder er muß antworten.“ Also wieder ab in die zweite Reihe, hieß es für Wolfgang Branoner. Der jedoch dürfte das gewohnt sein. Seit über einem Jahr steht er als Nachfolger für Pieroth bereit.

Oder Gabriele Schöttler. Da wollte SPD-Fraktionschef Klaus Böger zunächst partout den SPD- Mann Thomas Krüger zum Frauensenator küren. Erst der Widerstand der SPD-Frauen brachte die Ostfrau als Kandidatin für das Doppelamt Frauen und Arbeit ins Rennen. Da nannte selbst die andere bündnisgrüne Fraktionschefin, Michaele Schreyer, gestern die SPD-Linke eine Notlösung, eine Hinterbänklerin. In der ersten Runde sollte es auch gestern nichts werden mit Gabriele Schöttler. Die Auszählung ihres Wahlergebnisses ergab 126 Jastimmen, 77 Neinstimmen und 6 Enthaltungen. Dumm nur, daß nur 206 ParlamentarierInnen dem Abgeordnetenhaus angehören und anwesend waren. Erst eine zweite Auszählung hob die Verschmähte dann ins Amt, 74 Neinstimmen waren es nur gewesen.

Nur bei dem Beamten lief alles unspektakulär. Wie ein alter Hase saß Eckart Werthebach gestern von Beginn an auf den Staatssekretärsbänken hinter der Senatsreihe. Als ob er da hingehörte. Seit zwei Wochen bereits soll er durch die Amtsstuben Berlins tingeln und seinen Arbeitsbereich erkunden. Glatt lief auch sein Ergebnis, das beste von allen.

„Das ist eine Topnummer jetzt“, prahlte nach Werthebachs Wahl CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky. Im Hinblick auf die bislang letzte Nachwahl eines Senators, Ehrhart Körtings, der vor genau einem Jahr die Nachfolge Lore Maria Peschel-Gutzeits als Justizsenator angetreten hatte und mit nur 118 Stimmen gewählt worden war, behauptete ein gutgelaunter Landowsky dann auch noch: „Die Stimmung in der Koalition ist eben besser geworden.“ Aber Landowsky hätte sich die Koalition auch nicht so schnell vermiesen lassen. Was denn ein schlechtes Ergebnis sein könne? „Wir halten es da mit Adenauer, es reicht eine Stimme überm Durst.“ Barbara Junge