Zwischen den Rillen
: Samples zu Zapfhähnen

■ Check it out now! Fatboy Slim hebt DJ-Musik auf ein neues Ballermann-Niveau

Das knallt! Die beiden Worte mit Ausrufezeichen sind das immer gezogene Resümee, wenn es gilt, die Musik von Fatboy Slim zu beschreiben. Die einen wenden sich dann leicht angewidert ab, die anderen gucken zum Zapfhahn, um zu sehen, wo der Nachschub bleibt. Ist das die Beschallung für die Bierzelte des 21. Jahrhunderts?

Auf der Britischen Insel gehört Norman Cook alias Fatboy Slim derzeit zu den bestbezahlten DJs und Remixern. Summen von bis zu 30.000 Mark wandern für eine Veredelung auf sein Konto. Und um die superlativen Tatsachen hinter uns zu bringen: Von seiner letzten Single „Rockefella Skank“ wurden auf der Insel 180.000 Stück verkauft. Und dieses Stück enthält in nuce alles, was auch auf Slims neuem Album zu hören ist.

Ein Vocalsample, delirant, aber memorierbar, ein flotter kraftvoller, schmutzig-verzerrter Breakbeat und eine Finte, die, einmal erkannt, immer wieder als Partysignal funktioniert: Stück bricht ab, bißchen Synthiegeschraube, das Sirenenheulen hervorruft, nach dessen Höhepunkt der Track noch mal beginnt.

Warum ist diese Musik gerade derzeit so beliebt? Liegt es am „laddism“, jener in Britannien ausgeprägten Form neuen Männertums?

Das Bewußtsein des britischen Mannes ist ins Wanken geraten. Der Untergang der „working class“ ließ eine Generation von heute Dreißig- bis Vierzigjährigen in eine Identitätslücke fallen. Der Anschluß an Dienstleistung, Software und New Media wurde zwar ökonomisch noch geschafft, aber doch nicht als Lebensklammer begriffen. Dieser Mangel wird erschwert durch grassierende Arbeitslosigkeit und erzwungene Flexibilität. Der Mann als Familienbeschützer ist passé, was ihn gegenüber dem anderen Geschlecht in eine defensive Lage bringt.

Die arme Männerseele versucht sich in tradierte Werte wie Kumpelfreundschaft und damit zusammenhängendes Trinken, Abfeiern, Anbaggern, Aufreißen und anderes „unkorrektes“ Wochenendverhalten zu flüchten. Der diesbezügliche Zeitschriftenmarkt blüht. Und natürlich auch eine Musik, die durch einfach nachzuvollziehenden Groove, hammerartigen Beat und „Arme hoch!“- Signale auch dem alkoholgetränktesten Kerl noch mal auf die Beine hilft und ihm den Gedanken dämmern läßt, alles sei richtig so. In jedem Pub ist Fatboy Slim die Waffe.

Im Booklet dieser CD ist eine collagierte Panoramaaufnahme des Zimmers zu sehen, in dem diese Musik entsteht. Eine vollgestopfte Klause, eine Spätneunziger-Spitzweg-Idylle. Eine imposante Plattensammlung beherrscht natürlich das Bild, ihr zerfledderter Zustand zeugt nicht von connaisseurhafter Sammelleidenschaft, sondern vom ständigen Rein und Raus des vielbeschäftigten DJs. Keyboards, Mischpulte, Sampler, Plattenspieler, Effektgeräte – eben die ganze Apparatur heutiger Musikproduktion ist hier hineingepfercht, davor steht ein Bürostuhl, von dem aus sich das alles bequem steuern läßt. Ein Stückchen Wand ist beklebt mit Flyern vergangener Parties, hier herrscht der gelb grinsende Smiley als Gestaltungselement, Erinnerung an selige Zeiten des Ravens und ewiger Morgendämmerung.

Das scheint für Cook der historische Punkt zu sein, dem er zuarbeitet, den er mit seiner Musik aufzubewahren sucht. Das Zimmer ist von seinem Mittelpunkt aus fotografiert worden, diese zentralisierte Perspektive ist visuelle Metapher für den Zugriff Cooks auf sein Ausgangsmaterial. Nichts ist vor ihm sicher, alles ist für ihn handhabbar, solange es sich als Sample effektvoll und funktionabel in seine Tracks einbauen läßt.

Norman Cook war früher bei den Housemartins, einer sehr netten Gitarrenpopband, deren ausgefeilte Gesangsarrangements eine große Zukunft versprachen. Ihre offen bekundete Pro-Labour-Haltung versteckten sie in dunklen Thatcher-Zeiten in Anti-Hauptstadt-Parolen wie ihrem legendären LP-Titel: „London 0, Hull 4“. Durchhalten konnten sie das nicht. Während seine Ex-Kollegen als The Beautiful South ihre Enttäuschung in einigen gefälligen, hart an Wet Wet Wet vorbeischrammenden Popplatten zu sublimieren suchten, ging Cook in eine Art innere Emigration. Noch infiziert von Acid House, schuf er sich aus der dort entfachten Energie ein kreatives Feld, das ihn über die Jahre rettete.

Jenseits der geraden Bassdrum hat er sich zwischen TripHop und Big Beat ein Nische erobert, bei der es auf distinktes Geschmäcklertum genausowenig ankommt wie auf für ihn längst verblaßtes Independent- Ethos.

Er kann zulangen. Das Selbstbewußtsein, mit dem er das tut, geht auf in einer Zeit, in der gesellschaftlicher Wandel unter dem Vorzeichen der Kontinuität sich zu vollziehen hat. Fatboy Slims Beat- und Sampleattacken gehen also d'accord mit New Britannica, mit dem Weiter-so-aber-jetzt-in-Bunt. Ob sich die Neue Mitte der Berliner Republik an ihnen erfreuen wird, ist allerdings fraglich. Es gibt ja schließlich kein Wochenende mehr. Martin Pesch

Fatboy Slim: „You've Come A Long way, Baby“ (Skint/Epic)