Eine Frage der Gewöhnung

„Derrick ist da“, hieß es am 20. Oktober 1974. „Für die heutige erste Folge wünschen wir Ihnen gute Unterhaltung.“ Das Wünschen nützte zunächst nicht viel.

Reineckers Plot sei „von der Raffinesse einer Lotto-Ausspielung“, seine Dialoge so „originell wie ein Wetterbericht“, und seine Charakterzeichnung könne es mit der „Subtilität von ,Was bin ich?'“ aufnehmen, höhnte 1974 der Spiegel. „Der klassischen Wer-war's-Spannung beraubt tappert der Hauptdarsteller ratlos durch die Klischees und Ungereimtheiten stereotyp konstruierter Fälle.“ Auch die Zeit hatte für den neuen Serienhelden nichts übrig: „Horst Tappert, der so brav und geschniegelt aussieht, als laufe er Reklame für das deutsche Herrenmodeinstitut, ist nicht einmal ein Schmalspur-Bogart“. „Fließband-Autor“ Reinecker, der „einst von NS-Wehrertüchtigungspropaganda (,junge Adler') nahtlos zum Widerstandsdrama (,Canaris')“ gewechselt sei, habe eine „quälend langweilige“ Geschichte abgespult, Derrick sei der „schlechteste Kommissar, den es je gab“.

In der vernichtenden Kritik waren sich alle einig: oberflächlich, unlogisch, ein quälendes Gezerre, peinliche Aufnahmen, nichtssagende Schwenks, einschläfernde Musik und eine auf der Stelle tretende Handlung.

1975 platzte Horst Tappert in der Hannoverschen Presse der Kragen: „Wenn sich mit den Büchern nichts ändert, spiele ich da nicht mehr mit.“ „Ich habe Tapperts Persönlichkeit unterschätzt“, übte Reinecker im AZ- Magazin Selbstkritik. „Den kann man nicht einfach hinstellen, Tappert muß man beschäftigen.“ Und Reinecker beschloß: „Da müssen wir sofort was dran ändern.“

Nach neun Folgen wurde die Geschichte ganz auf Tappert zugeschnitten und wieder nach dem üblichen „Wer war's“- Muster gedreht. Die Presse quittierte es zufrieden: „Ein respektabler Versuch, der Serie auf die Beine zu helfen“, vermerkte im August 75 das Hamburger Abendblatt. Auch der Harburger Anzeiger fand die Folge „Der Koffer aus Salzburg“ immerhin „interessant“ und „plausibel in Szene gesetzt“. Herbert Reinecker habe sich die anfänglichen Irritationen „eine Lehre“ sein lassen, stellte fast zehn Jahre nach dem Start der Serie die FAZ fest. Derrick sei zum Ritual geworden, „in das man sich wieder und wieder schickt, mal stärker und mal weniger stark mitgerissen, aber nie gänzlich unberührt“. Es triumphiere „die Wiedererkennbarkeit als Maß aller Dinge“. Vielleicht die Erklärung für den Erfolg der Serie: Die Zuschauer waren irgendwann einfach an Derrick gewöhnt. Matthias Thieme

Souvenirs, Souvenirs

Freitag: „Derrick: Das Abschiedsgeschenk“ (letzte Folge), 20.15 Uhr; „Derrick: Mitternachtsbus“ (1. Folge), 21.15 Uhr; „aspekte“, 22.50 Uhr

Samstag: „Goodbye, Derrick! – Die Überraschungsparty“ (mit Thomas Gottschalk), 20.15 Uhr; „Die lange Derrick-Nacht“ (5 Std.!), ab 23.15 Uhr. Alles ZDF

Fanbuch: C. Legal/ H.-W. Saure „Harry, hol schon mal den Wagen“ , Ullstein TB, 160 S., 18 DM.