"Bist Du ein U-Boot der CDU?"

■ Die Hörer von Radio Fritz haben den Wunsch des Kanzlerkandidaten und Briefeschreibers Gerhard Schröder erfüllt und geantwortet. "Akzeptables Aussehen" als Unterschied zu Kohl

Gewöhnlich ist es so, daß Bücher von Politikern – außer die damit beauftragten Ghostwriter und einige Rezensenten – eigentlich niemanden recht interessieren. Irgendwann landen sie auf dem Grabbeltisch der Buchhandlungen, ohne daß dem lesenden deutschen Volk eine Reaktion abgenötigt werden konnte.

Seit Gerhard Schröder, dem modernen Kandidaten für eine moderne Kanzlerschaft, muß die Geschichte der Politlyrik neu geschrieben werden. Denn Schröder hat auf seine zum Buch „Und weil wir unser Land verbessern...“ gebundenen 26 Briefe für ein modernes Deutschland tatsächlich Antwort erhalten. Der Wunsch des großen Kommunikators nach einem „wo auch immer veröffentlichten Diskurs zwischen Regierten und Regierenden“ als „Beitrag zur Veränderung der politischen Kultur im Lande“ wurde damit erhört.

Und zwar von den Hörern des ORB-Jugendradios Fritz. Sie haben dem Aufruf des Senders folgend einen ellenlangen Antwortbrief geschrieben, den Gerhard Schröder nach der Präsentation seines Buches vor kurzem in Berlin von Reporter Ken Jebsen überreicht bekam. Schröder – der den Sender nicht kennt, was er aber als Regierender in Berlin nachholen will – kann sich nun überzeugen, daß er beim jungen Wahlvolk in Berlin und Brandenburg keineswegs ein Heimspiel hat.

So gilt er Nils Birke aus Berlin zwar als der beste Kanzlerkandidat, allerdings „den die CDU jemals hatte“. Darum würde Fritz- Hörerin Corinna ebenfalls interessieren, „ob Du nicht doch ein U-Boot der CDU bist“!? Für eine Jenna scheint der einzige Unterschied zu Kohl denn auch nur „Ihr relativ akzeptables Aussehen“. Nicht weniger skeptisch fragt Jens: „Was ist für Sie wichtiger Herr Schröder, der Wahlsieg oder eine Veränderung im Lande?“ Im Interesse von letzterem empfiehlt Stephan Lüder aus Berlin: „Hoffentlich heizen Dir die Grünen ein wenig ein!!“

Überhaupt wird oft mehr gehofft als erwartet, allerdings gibt's auch ganz konkrete Vorstellungen. Heike aus Berlin wünscht sich die Schaffung von Arbeitsplätzen „dort, wo sie gebraucht werden, zum Beispiel in Universitäten, Schulen und Kultureinrichtungen“.

„Bitte, tu was Gutes für die Bildungspolitik“, fleht auch Dandy aus Falkenberg, der die Briefidee „als Draht zum Volk sehr toll“ findet, und den Gerhard gleich noch beruhigt, daß dessen x-te Heirat „nur die alten Säcke stört und nicht uns Jugendliche“. Dagegen drängt sich Martin (22) aus Potsdam die Frage auf, „ob Du zu Deinen Wählern auch so treu bist wie zu Deinen Frauen – oder haben immer die anderen schuld?“

Von der positiven Seite sieht wiederum R. Heidtmann Schröders persönliche Frauenquote: „Ich bin einmal geschieden und dadurch schon pleite. Sie sind zum vierten Mal verheiratet und können Ihre Brötchen doch noch selbst bezahlen. Ich glaube, Sie sind das Finanzgenie, das Deutschland jetzt nötig hat.“

Analog zur Frauenquote schlägt ein Robert, der den Wechsel egal in welcher Farbe will, eine „Quote für Jugendliche in der Politik“ vor. Außerdem richtet er an den Adressaten die Hoffnung, daß „Du in ein paar Monaten an diese Briefe von Radio Fritz und auch an die jungen Menschen denkst, die dahinter gestanden haben“.

Bei der Übergabe erklärte Schröder dem Reporter launig, die Briefe unter dem Titel „Fritzens Antworten“ in einem Buch zusammenzufassen. Noch größere Gefahr für seine Glaubwürdigkeit droht ihm freilich aus seiner spontanen Antwort auf die Reporter- Frage, was er als Kanzler zuerst mache: „Ein Interview mit Fritz.“ Es dürfte das erste gebrochene Wahlversprechen des Kanzlers Schröder im September sein. Gunnar Leue