Nur verbal gegen Castor?

Atomgegner werfen Düsseldorfer Landesregierung „weitgehende Untätigkeit“ vor. Grüne sehen das anders: Castor-Transporte seien juristisch nicht zu kippen  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

In ihrem verbalen Protest gegen den Castor-Transport ist sich die Düsseldorfer rot-grüne Koalition selten einig. Wie ein roter Faden zieht sich das Bemühen um Geschlossenheit durch eine dreiseitige Erklärung, die die Ministerriege einstimmig verabschiedet hat. Darin fordern sie auch einen „schnellen Ausstieg“ aus der Atomenergie insgesamt. Der für Ende März erwartete Castor- Transport wird als „politische Provokation“ der Bundesregierung gegeißelt, denn schon im Koalitionsvertrag hatten beide Parteien erklärt, im Ahausener Zwischenlager ausschließlich Abfälle aus NRW haben zu wollen. Doch leider fehlten der Landesregierung „die rechtlichen Möglichkeiten“, den von Bundesumweltministerin Angela Merkel genehmigten Transport noch zu stoppen.

Daß diese Position auch von den Grünen geteilt wird, kritisieren Atomkraftgegner aus dem Münsterland und dem Revier als „Selbstentlastung und Selbstentmachtung der Landesgrünen“. Man erwarte, daß die Düsseldorfer Regierung endlich „alle politischen und juristischen Möglichkeiten zur Verzögerung des Transports ausschöpft“. Selbst die SPD- Alleinregierung in Hannover sei entschlossener gegen den Castor vorgegangen. Tatsächlich hatte Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski die polizeiliche Sicherung des Transports fast ein Jahr lang mit immer neuen Begründungen hinausgezögert.

Für die Düsseldorfer Koalition sei das ein Muster ohne Wert, entgegnet der grüne Fraktionschef Roland Appel. Letztlich habe es die Verzögerungen und Aussetzungen der Transporte in Niedersachsen „nur gegeben, weil der Schröder mit der Merkel gedealt hat“. Und das, so Appel weiter, „tun wir nicht“.

Damit spielt Appel auf die sogenannten Energiekonsensgespräche an, die sich schließlich rein auf Gespräche über die Entsorgung reduziert hatten – und die im April letzten Jahres zwischen der Bonner Regierung und der SPD kurz vor dem Abschluß standen. Den möglichen Kompromiß hatte SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering seinerzeit so skizziert: „Der rücklaufende Atommüll aus Frankreich und den norddeutschen Kraftwerken kann in Gorleben zwischengelagert werden, die übrigen Brennstäbe aus Süddeutschland unmittelbar in den Kraftwerken und in Ahaus.“ Daß die SPD von diesem Deal wieder abrückte, rechnen sich die NRW-Grünen als ihren Erfolg an. Die Früchte dieses „Erfolgs“ seien aber erst durch einen Regierungswechsel in Bonn zu ernten, heißt es jetzt.

Ganz anders beurteilt das der Sprecher der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“, Hartmut Liebermann.

Der Castor-Transport sei schlicht rechtswidrig

Er hält die geplante Einlagerung schlicht für „rechtswidrig“, weil sie gegen eine Bund-Länder-Vereinbarung von 1979 verstoße. Damals hatten die Regierungschefs beschlossen, daß mit der Einlagerung in Ahaus erst dann begonnen werde dürfe, wenn ein Endlager für den Müll „als gesichert erscheint“. Weil davon keine Rede sein könne, so Liebermann, verstoße der angekündigte Transport gegen geltendes Recht. Der grüne Fraktionschef Appel widerspricht: Eine juristische Prüfung in Düsseldorf habe ergeben, daß die Vereinbarung von 1979 „rechtlich unverbindlich und nicht einklagbar“ sei. Auch ein von der Kieler Landesregierung in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten bestätige das.

Appel selbst will sich am Tag X zusammen mit weiteren grünen Abgeordneten auf die Schienen zum Zwischenlager setzen. Ob die von der Ahausener BI massenhaft geplante gewaltfreie Gleisbesetzung gelingt, steht allerdings in den Sternen. Laut Einsatzplanung der Polizei, die mit über 20.000 Beamten in Ahaus aufmarschieren will, gehören die Schienen „zum versammlungsfreien Raum“. Sie seien „der einzige Weg, den Transport ungefährdet ins Ziel zu bringen“, sagt Einsatzleiter Horst Haase.

Hubert Wimber, der grüne Polizeipräsident von Münster, sieht das genauso: Die Schienen dürften kein „Aktionsraum für demonstrative Anlässe“ werden. Sonst „entstünde eine Gefährdungserhöhung für den Transport“, sagt der überzeugte Atomkraftgegner an der Spitze der Polizei.

Bei dieser eng mit dem Düsseldorfer Innenminister Franz-Josef Kniola (SPD) abgestimmten Einsatzlinie wird es bleiben, auch wenn Appel sie für „grundfalsch“ hält. Appel fürchtet eine Eskalation, weil alle „irgendwie versuchen werden, ans Gleis zu kommen“. Sollte es einigen Gruppen gelingen, „werden wir die Schienen durch Wegtragen räumen“, kündigt Polizeidirektor Haase an. Und die Personalien feststellen.

Glaubt man den Ankündigungen des grünen Polizeipräsidenten, dann sollen die rein passiven Besetzer ausschließlich „friedlich weggetragen“ werden. Darauf, so Wimber während einer öffentlichen Veranstaltung in Essen, „können Sie mich festlegen“. Im Wiederholungsfall ist die vorübergehende „Ingewahrsamnahme“ vorgesehen. Das gelte, so Einsatzleiter Haase, „für jeden und jede“ – auch für Abgeordnete wie Appel.