■ Drehen, wenden, hocken, sinken im Siebziger-Jahre-Möbel
: Leben im Sitzsack

Wer im Sitzsack sitzt, der ist Chef! Manchmal kann man natürlich auch ohne Sitzsack Chef sein, aber dann macht es nicht soviel Spaß. Lucy van Pelt von den „Peanuts“ sitzt immer im Sitzsack. Und sie ist immer Chef! Die „Peanuts“ sind diese kugelköpfigen Gören mit Snoopy, dem Hund. Und Lucy van Pelt ist die im Sitzsack.

Wenn ich in meinem Sitzsack sitze, dann fühle ich mich auch wie Lucy. Dann steh' ich nie wieder auf. Dann motze ich höchstens rum, daß mir einer ein Wurstebrot schmieren soll. „Aber dalli!“ Und dann bringt mir jemand ein Wurstebrot. So ist das, wenn man in einem Sitzsack sitzt. Wenn man nur auf einem Stuhl sitzt und ruft, daß man ein Wurstebrot will, dann sagen alle: „Mach's dir doch selber, Idiot!“ Aber im Sitzsack kriegt man alles! Sogar die Fernbedienung!

Es gilt als ungeschriebenes Gesetz, daß der im Sitzsack so oft zwischen ZDF und RTL hin und her zappen darf, bis alle anderen dumm im Kopf werden. Das ist prima! Manchmal stehe ich morgens um sieben schon auf und hocke mich in den Sitzsack. Und da hocke ich dann! Aber hallo! Wenn's sein muß, bis zum Spätfilm. Da kenn' ich nix! Da kriegt mich dann keiner mehr raus!

Aus einem Sitzsack wieder rauszukommen ist sowieso schwer: Der gibt immer so angenehm nach, wenn man sich aufrichten will. Dann sinkt man nur noch tiefer ein. Oder man dreht sich. Mit den Füßen nach oben zum Beispiel. Auf einem Stuhl sähe das doof aus. Aber nicht im Sitzsack! Da kann man auch sein Gesicht reindrücken und es sieht noch gut aus.

Der Sitzsack an sich sieht am besten aus, wenn er vor dem Fernseher steht. Oder der Fernseher vor dem Sitzsack. Die beiden bilden dann eine Symbiose, die man alleine wegen ihrer Zweckmäßigkeit stundenlang anschauen könnte. Wie Harry und Derrick zum Beispiel. Oder wie Hanni und Nanni. Wenn man im Sitzsack sitzt, dann kann man alle acht Folgen von „Fackeln im Sturm“ am Stück angucken, ohne daß einem etwas einschläft. Der Hintern zum Beispiel. Auf einem Stuhl wäre der schon nach drei Stunden taub, und man müßte „Fackeln im Sturm“ in vier Etappen aufteilen. Aber im Sitzsack könnte man sich ohne Hintern-Probleme auch noch „Dornenvögel“ reinziehen, so bequem ist es da.

Dumm ist es nur, wenn Sitzsäcke kaputtgehen. Dann kommt die Füllung rausgepurzelt wie nichts Gutes und verteilt sich so lange im Flokati, bis die Polizei kommt. Sitzsackfüllungen sind komische Sachen wie Styroporkügelchen oder getrocknete Bohnen. Die sehen dann blöd aus, auf dem Flokati. Aber man kann dann ja schnell jemanden rufen, der sie aufsammeln muß. Solange man noch sitzt, ist man ja immer noch Chef! Frank M. Ziegler