KZ-Profiteur bleibt Ehrenbürger

Dem Rüstungsindustriellen Diehl war die Unterstützung von CSU, FDP und „Republikanern“ sicher: Der Stadtrat lehnte ab, ihm die Auszeichnung zu entziehen  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Der Rüstungsindustrielle und KZ-Profiteur Karl Diehl bleibt Ehrenbürger der Stadt Nürnberg. Mit 38 gegen 32 Stimmen lehnte die Mehrheit von CSU, FDP, Freien Wählern und „Republikanern“ den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ab, dem Seniorchef des Diehl-Konzerns die im Juli verliehene Auszeichnung wieder abzuerkennen.

„Wohltaten, die jemand in den Aufbaujahren verteilt, können nicht Ablaßzahlungen für die Vergangenheit sein“, begründete die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Christine Stahl, ihren Antrag. Aufgrund seiner „Verstrickung in die Ausnutzung von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern im Dritten Reich“ sprach sich auch die SPD gegen Diehl als Ehrenbürger aus. Fraktionschef Jürgen Fischer befürchtete, daß ein Festhalten an Diehl als Ehrenbürger sich negativ auf die Bewerbung der Stadt um den Sitz des Internationalen Strafgerichtshofs auswirken würde.

Doch die Stadtratsmehrheit ließ sich weder von solchen Befürchtungen noch von den Schilderungen ehemaliger Diehl-Zwangsarbeiterinnen beeindrucken. Wie berichtet, hatten mehrere Zeitzeuginnen Demütigungen, Mißhandlungen und Selektionen in der Diehl-Produktionsstätte in Peterswaldau, einem Außenlager des KZ Groß-Rosen, geschildert und dafür den damaligen Firmenchef Karl Diehl verantwortlich gemacht.

Ihre Aussagen lösten in Nürnberg hitzige Diskussionen aus. Nach wochenlangem Schweigen drückte Karl Diehl schließlich sein Bedauern für die Vorfälle aus und beauftragte einen Historiker mit der Untersuchung der Firmenrolle in der NS-Zeit. Gleichzeitig betonte Diehl jedoch, er sei zum Einsatz von KZ-Häftlingen gezwungen worden. Kurze Zeit später machte sich der älteste Diehl-Sohn Werner auf den Weg nach Tel Aviv, um ehemaligen Zwangsarbeiterinnen „freiwillige Hilfsleistungen“ der Firma anzubieten.

Während Teile der CSU die Aussagen der Zeitzeugen als „klassenkämpferische Hetze“ abqualifizierten, lehnten auch die Industrie- und Handelskammer und beide Kirchen eine Aberkennung der Ehrenbürgerwürde ab. Der evangelische Dekan Johannes Friedrich, der im Kuratorium der Diehl-Stiftung sitzt, verwies dabei auf das „soziale Empfinden des Industriellen“. Schließlich forderte der einflußreiche Verleger der auflagenstarken Nürnberger Nachrichten, Bruno Schnell, Karl Diehl auf, „die verliehene Würde zurückzugeben“. Dies wäre ein „Zeichen für den Frieden in der Stadt“. Ein solches Zeichen setzte Diehl nicht. „Wir bleiben selbstbewußt“, verlautbarte die Firmenpressestelle.

Kurz vor der Ratssitzung überreichten Diehl-Betriebsräte Nürnbergs CSU-Oberbürgermeister Ludwig Scholz dann 2.700 Unterschriften von Firmenmitarbeitern. „Wir stehen wie ein Mann hinter Diehl“, bekräftigte Betriebsrat Wolfgang Jäger. Wie ein Mann stand auch die CSU-Fraktion geschlossen hinter dem Unternehmer. Die Leistungen von Diehl als Unternehmer und als Mäzen für den Wiederaufbau der Altstadt würden „bei weitem alle Schatten, die aus den vorhergehenden Lebensabschnitten auf das Werk dieses Mannes gefallen sind, überwiegen“, rechnete CSU-Fraktionschef Klemens Gsell vor. Da war die Abstimmung nur noch Formsache.