Konsumtempel hat sich etabliert

Europas größtes Einkaufszentrum CentrO ist ein Jahr alt. Über 5.000 Arbeitsplätze entstanden. Oberhausens Nachbarstädte zittern nicht mehr vor der Konkurrenz  ■ Aus Oberhausen Walter Jakobs

Burkhard Drescher strahlte gestern besonders zufrieden in die Kameras: „Die Erwartungen der Stadt und der Bürgerinnen und Bürger wurden in vollem Umfang erfüllt.“ 86,8 Prozent der Oberhausener beurteilten das seit einem Jahr geöffnete Konsum- und Freizeitzentrum CentrO sogar mit „sehr gut oder gut“, berichtete der sozialdemokratische Oberstadtdirektor voller Stolz. Das einst zwischen den Parteien höchst umstrittene Projekt habe sich genauso entwickelt wie vom britischen Investor Eddie Healey versprochen. Werden die rund um Europas größtes Einkaufszentrum zusätzlich angesiedelten Unternehmen und Institutionen einbezogen, seien 5.560 neue Arbeitsplätze in der Stadt geschaffen worden.

Im CentrO selbst fanden rund 4.415 Menschen eine neue Beschäftigung. 1.614 von ihnen allerdings nur in Form eines 610-Mark- Teilzeitjobs. Bis zum Jahr 2000 rechnet Drescher angesichte der „ausstrahlenden Attraktivität“ des CentrOs mit weiteren 5.000 Jobs am Rande des 1,4 Hektar großen Areals, das seit der Gründung als neue Mitte Oberhausen firmiert.

Über 2 Milliarden Mark wurden hier investiert. Rund 500 Millionen steuerte dazu die öffentliche Hand bei. Das meiste Geld floß aus Düsseldorf, wo die seinerzeit noch allein regierenden Sozialdemokraten das Projekt gegen den erbitterten Widerstand der grünen Opposition durchpaukten. Während die politische Kritik an dem Milliardenprojekt seit längerem verstummt ist, klagen viele Kaufleute aus Oberhausens Zentrum und den angrenzenden Städten nach wie vor über die mit staatlicher Hilfe geschaffene Konkurrenz. Drescher wies diese Kritik gestern zurück: Tatsächlich habe der CentrO-Umsatz von insgesamt 1 Milliarde Mark keine wesentlichen Umbrüche in Oberhausens alter City oder den Nachbarstädten ausgelöst. In Alt-Oberhausen sei es zwar in Schmuckläden oder Modegeschäften zu Einbußen gekommen, doch die hätten sich „in engen Grenzen gehalten“.

Bei den betroffenen Händlern hört man andere Töne. So spricht etwa der Chef des Oberhausener Einzelhandelsverbandes, Gerd Lepges, von „drastischen Umsatzrückgängen“. Auch dessen Essener Kollege Michael Niermann führt den Einbruch in manchen Marktsegmenten der Essener Innenstadt von bis zu 20 Prozent auf die neue Konkurrenz zurück, die ihre Kunden mit 10.500 gebührenfreien Parkplätzen lockt.

Insgesamt, da verweist Drescher im Verein mit den Kaufleuten des CentrOs auf Untersuchungen, habe man aus den Nachbarstädten Essen, Duisburg, Mülheim oder Gladbeck nicht mehr als zwischen 0,5 bis 1,5 Prozent Kaufkraft abgezogen. Von einem Nullsummenspiel im Bereich der Arbeitsplätze könne deshalb auf keinen Fall die Rede sein.

30 Prozent der durchschnittlich täglich 70.000 Kunden reisen mit dem öffentlichen Nahverkehr an. Viele kommen von weit her. Insgesamt 10.000 Reisebusse, darunter viele aus Holland, zählte das Management. Waren beim Start vor einem Jahr noch 30 Geschäfte leer, so sind derzeit nur noch 2 zu vermieten. Deshalb gab es gestern bei den Repräsentanten der gut 250 Mieter fast ausschließlich zufriedene Gesichter. Wer den Konsumrausch stört, wird aus dem CentrO im übrigen gnadenlos vertrieben. Vor allem die Punker der Region können davon ein Lied singen.