Starre Fronten und Gewalt in Kenia

Die Regierung von Präsident Moi sieht keinen Anlaß, der immer lauter werdenden Protestbewegung durch Dialog entgegenzukommen, und setzt eher auf Nachrichtenverfälschung  ■ Aus Nairobi Andrea König

Kenias Regierung erntet bei ihrem brutalen Vorgehen gegen die Opposition zunehmend Protest. Bereits nach den Ausschreitungen der Polizei am vergangenen Montag verurteilten 22 ausländische Botschaften, darunter auch die Deutschlands, in einem gemeinsamen Kommuniqué die Anwendung von Gewalt und forderten mehr Toleranz und Dialog. Aber als am Mittwoch Studenten friedlich ins Stadtzentrum der kenianischen Hauptstadt Nairobi marschierten und gegen den vermuteten Tod von vier Kommilitonen – der sich später als falsch herausstellte – demonstrieren wollten, griff die Polizei erneut massivst und nicht weniger brutal ein und trieb die Studenten ins Gelände der Universität zurück. Später wurden die Wohnheime gestürmt, einige Studenten retteten sich nur mit dem Sprung aus dem Fenster vor der Polizei.

Auch gestern gab es bei den andauernden Polizeieinsätzen gegen Studenten wieder Verletzte. „Wir gehen jetzt nach Hause“, drückte ein Student die Stimmung klar aus. „Unsere Eltern haben lieber einen ungebildeten Sohn als einen toten.“ Zwei Universitäten – die Universität von Nairobi und die Kenyatta-Universität – sind bis auf weiteres geschlossen. Die Studenten, die jetzt eigentlich dabei sind, ihre Abschlußexamen abzulegen, wurden nach Hause geschickt.

Der Druck auf Kenias Regierung verstärkt sich

Die Studentenschaft schließt sich den Forderungen der Opposition nach Verfassungsreform weitgehend an. Viele Studenten sind frustriert über den Mangel an demokratischem Spielraum in Kenia. Wer sich politisch betätigt oder im Verdacht steht, regierungskritisch zu sein, wird verfolgt und eingeschüchtert. Mit den Ereignissen vom Montag und Mittwoch hat sich der Druck auf die Regierung von mehreren Seiten verstärkt: Die politische Opposition ist lauter geworden, und die Menschen haben gezeigt, daß sie im Notfall für ihre Anliegen auch sterben.

Daß die Regierung von Präsident Daniel arap Moi keinen Dialog aufnehmen will, zeigt, wie gestern die beiden kenianischen Fernsehstationen KBC und KTN den Inhalt des Botschaftskommuniqués wiedergaben. Beide Sender behaupteten, die ausländischen Diplomaten hätten die Opposition aufgefordert, von Gewalt abzusehen. Zugleich gab die in Kenia viel gehörte BBC den Inhalt des Kommuniqués, dessen Forderung nach Ende der Gewalt an die Regierung gerichtet ist, korrekt wieder. In Nairobi nahm man vor allem die Berichterstattung des Senders KTN mit Erstaunen zur Kenntnis, hatte doch KTN am Montag noch eindrückliche Bilder der Auseinandersetzungen gezeigt und eher kritische Töne angeschlagen. Gestern jedoch wurde bekannt, daß der Nachrichtenchef von KTN und dessen Stellvertreter abgelöst und durch einen Journalisten der Regierungszeitung Kenyan Times ersetzt wurden. Die Begründung dafür laut der unabhängigen Tageszeitung Nation: „Unbefriedigende Leistung“. Die Nation berichtet von einer Krisensitzung der Fernsehdirektoren, bei welcher die negative Berichterstattung über die Haltung der Regierung zur Debatte gestanden habe.

Zunehmend erhält die politische Opposition derweil Unterstützung aus Kirchen und nichtstaatlichen Organisationen. Die katholische Kirche verurteilte die Brutalität der Regierung und fordert eine sofortige Verfassungsreform. Sie schlägt vor, daß sofort eine Kommission aus politischen und kirchlichen Führern sowie Vertretern der Zivilgesellschaft eingesetzt wird, um für das Parlament ein Minimum an Reformvorschlägen auszuarbeiten. Die Bischöfe erklärten: „Es geht jetzt nicht mehr darum, ob politische Veranstaltungen abgehalten werden dürfen oder nicht. Es geht um die Verfassungsreformen, die die Kenianer wollen.“ Die All Saints Cathedral hat sämtliche Messen bis zum Sonntag suspendiert, um am Sonntag eine „Reinigungszeremonie“ abzuhalten.