Körting interessiert sich doch für Spitzel

AFFÄRE Erst wollte er nichts wissen, nun fordert der Innensenator: Der „Graubereich“ beim Einsatz ausländischer Spitzel müsse geregelt werden

Irgendjemand in Berlins Behörden wusste, dass Kennedy hier unterwegs war

Erst war er unwissend, dann uninteressiert. Jetzt geht er in die Offensive: Nachdem Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in der Affäre um den umstrittenen Einsatz eines britischen Spitzels in Berlin lange tatenlos blieb, forderte der SPD-Mann am Montag, Konsequenzen aus der Affäre zu ziehen: „Dieser Einsatz hat eindeutig in einem Graubereich stattgefunden, der für künftige Fälle geregelt werden muss“, sagte Körting am Rande einer Sitzung des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus der taz. Gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt (BKA) müsse nun geklärt werden, wie mit künftigen Fällen dieser Art umzugehen sei. Damit reagiert Körting auf Vorwürfe der Grünen, einer Aufklärung des Falles im Wege zu stehen.

Der kürzlich enttarnte britische Spitzel Mark Kennedy hatte jahrelang in verschiedenen europäischen Ländern die linke Szene ausspioniert und war insbesondere in Berlin polizeilich aufgefallen: Hier hatte die Polizei den Spitzel unter dem Tarnnamen „Mark Stone“ im Dezember 2007 bei dem Versuch festgenommen, eine Mülltonne in Brand zu stecken. Allerdings wollen die Berliner Sicherheitsbehörden erst im Nachhinein davon erfahren haben, dass es sich bei „Stone“ um einen Polizisten gehandelt hat. Das Berliner LKA, so Körting, sei zwar vom BKA „abstrakt“ informiert worden, dass sich ein britischer Beamter – angeblich zur Legendenbildung – in Berlin aufhalte. Über Namen und konkrete Details aber hätten nie Kenntnisse bestanden. Einen Ermittlungsauftrag durch Berliner Behörden, so wiederholte Körting am Montag, habe der Brite nicht gehabt.

Diese Aussagen hätten nun beinahe brenzlig für den Senator werden können: Nachdem der Wortlaut eines vertraulichen Bundestagsprotokolls öffentlich geworden war, in dem BKA-Chef Jörg Ziercke von einer „Aktion“ in Berlin und einer „klaren Zustimmung des zuständigen Landes Berlin“ gesprochen hatte, waren Zweifel an der Darstellung Körtings aufgetaucht.

Tatsächlich war eine Frage stets offen geblieben: Obwohl Kennedy von Berliner Polizeibeamten beim Brandlegen erwischt worden war und Körting nichts von dem Einsatz gewusst haben will, machte er bislang keine Anstalten, aufzuklären, was Kennedy noch alles in der Hauptstadt getrieben haben könnte – und durch wen er dazu legitimiert war. Bislang hatte es vonseiten des Innensenators geheißen, die Frage „nach weiterreichenden Informationspflichten“ stelle sich nicht. Nun räumte Körting doch Regelungsbedarf ein: „Ich möchte in Zukunft gerne wissen, welche ausländischen Agenten hier in Berlin herumwuseln.“

Doch die plötzliche Offensive in Richtung BKA könnte auch einen anderen Hintergrund haben. So wie es aussieht, war es gerade ein Mitarbeiter im Berliner LKA, der mit den Hinweisen des BKA zu fahrlässig umgegangen war. Er soll, nachdem er telefonisch abstrakt über den Einsatz eines britischen Ermittlers informiert worden sein soll, weder seine Vorgesetzten informiert noch einen Aktenvermerk angelegt haben. Das heißt: Irgendjemand in Berlins Sicherheitsbehörden wusste durchaus, dass Kennedy hier unterwegs war.

Und so könnte es für Körtings neue Taktik auch eine andere Erklärung geben als plötzlich erwachten Wissensdrang: nämlich zu vertuschen, dass die Berliner Behörden nicht wissen, was bei ihnen so alles läuft. Und es bislang auch nicht wissen wollten.

MARTIN KAUL