Die sechstausend Bergarbeiter, die am Mittwoch abend am Müngersdorfer Stadion in Köln in Stellung gegangen waren, quittierten den ausgehandelten Kohlekompromiß mit frenetischem Jubel und einem "Helm ab zum Gebet". Obwohl nicht alle freudig

Die sechstausend Bergarbeiter, die

am Mittwoch abend am Müngersdorfer Stadion in Köln in Stellung gegangen waren, quittierten den ausgehandelten Kohlekompromiß mit frenetischem Jubel und einem „Helm ab zum Gebet“. Obwohl nicht alle freudig reagierten – der Kampf der Kumpel um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze ist vorerst vorbei.

Es herrscht wieder Ruhe im Schacht

Uto Birkenbach strahlt. Grund für die gute Stimmung ist eine Botschaft des saarländischen Bezirksleiters der IGBE, Gerhard Zibell, aus Bonn, die soeben aus den mächtigen Lautsprechern dringt. Sekunden vorher herrschte noch andächtige Stille auf der riesigen Liegewiese des Müngersdorfer Schwimmbades in Köln. Bevor Zibell das Wort bekam, hieß es zunächst – wie schon bei der Demonstration in Bonn – „Helm ab zum Gebet“. Bergleute sind gläubige, ruhige Menschen, aber sie können auch anders. 6.000 Kumpel quittieren das Gesprächsergebnis aus dem Kanzleramt, das den Bestand von zwei der drei saarländischen Zechen bis zum Jahr 2005 sichert, wenig später mit frenetischen „Sieg“, „Sieg“-Rufen.

Freudentränen, stürmischer Applaus, manche liegen sich aufgekratzt in den Armen. In diesem Moment ist die riesige Erleichterung überall zu spüren. Tosenden Beifall erntet auch der Saarbrücker SPD-Fraktionsvorsitzende Reinhard Klimmt, der mit heiserer Stimme den Kompromiß lobt – „auch wenn nun ein schwieriger Weg vor uns liegt“. Die meisten ZuhörerInnen haben die Nacht in mitgebrachten oder vom Kölner Technischen Hilfswerk noch schnell aufgebauten Zelten verbracht. Wer keine überdachte Bleibe mehr fand, suchte sich ein Plätzchen im Freien auf den Wiesen rund um das Müngersdorfer Stadion. Gegen die Kälte halfen die zahlreichen Lagerfeuer, deren Reste noch glühen.

Auch Uto Birkenbach hat ein bißchen gefroren, „aber es hat sich gelohnt“. Vor allem die Nachricht, daß es bis zum Jahr 2005 keine betriebsbedingten Kündigungen gibt, stimmt die Bergleute von der Saar froh. Jetzt hoffen sie, daß dieses Versprechen auch eingehalten wird. Markus Thielen ist über das in Bonn erzielte Ergebnis ebenfalls zufrieden, auch wenn der Kompromiß für ihn einen erneuten Wechsel des Arbeitsplatzes mit sich bringen wird. Weil der Deckel auf seinen Pütt in Güttelborn kommt, muß der 31jährige Thielen schon bald auf einer anderen Zeche einfahren. Doch das schreckt ihn nicht, „denn ich habe das seit 1981 schon zweimal erlebt“. Sorgen bereitet ihm nur die Vorstellung, „daß die in Bonn jetzt wieder ihre Versprechen nicht einhalten“.

Es gibt zwar Bergleute auf dem Platz, die anonym heftige Kritik an der Gewerkschaftsführung äußern, aber das Gros der saarländischen Kumpel hat seinen Frieden mit dem heftig kritisierten IGBE- Chef Hans Berger wieder gemacht und intoniert siegesbewußt: „Der Dicke ist platt“. Am Mittwoch war die Aufforderung des IGBE-Vorsitzenden, sich doch bitte vorübergehend aus Bonn zurückzuziehen, noch auf ein zwiespältiges Echo gestoßen. Doch davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. „Die Taktik, sich vorübergehend zurückzuziehen, war doch klug“, sagt Dieter Pohle. Als ein Betriebsrat dann ankündigt, daß das Bier zu Hause „kaltgestellt“ sei und es nun „hemm“ gehe, da bricht noch einmal tosender Applaus aus, bevor sich die große Liegewiese leert.

Deutlich kritischer fällt die Reaktion der über tausend Motorradfahrer aus dem Revier aus, die nach Köln-Müngersdorf gekommen sind, um ihren saarländischen Kollegen beizustehen. Sie begleiten die Busse noch bis nach Bonn, bevor sie dann in Richtung Heimat abdrehen. „Wir wollen dem Kohl noch einmal den Stinkefinger zeigen“, sagt einer. Denn „wie die Regierung sich verhalten hat, war eine Riesensauerei“.

Während in Köln die Saarländer jubeln, wird auf vielen Zechen an Rhein und Ruhr das Ergebnis sehr unterschiedlich aufgenommen. Mit Pfiffen und Buhrufen reagieren die Kumpel vor den besetzten Zechen Westerholt (Herten) oder in Walsum. Auch vor den Toren der Gelsenkirchener Zeche Hugo/Consolidation, deren Schließung die Ruhrkohle AG schon beschlossen hat, kommt es zu massiven Unmutsäußerungen. Doch die Parole, jetzt erneut nach Bonn zu reisen, findet keinen Zuspruch. Der Kampf ist vorerst vorbei. Walter Jakobs, Köln