Studenten lassen Boykott im Stich

In Baden-Württemberg ist eine Studentenaktion gegen neue 100-Mark-Gebühr gescheitert. Das Quorum wurde deutlich verfehlt. Mehrere Initiativen wollen dennoch weitermachen  ■ Aus Freiburg Markus Grill

Erstmals zum kommenden Semester müssen die Studierenden in Baden-Württemberg 100 Mark direkt in den Landeshaushalt bezahlen – zusätzlich zum Sozialbeitrag an das Studentenwerk in Höhe von 50 bis 70 Mark.

Landesweit hatten sich Proteste gegen diese neue Gebühr erhoben, weil viele in ihr den Beginn für richtige Studiengebühren von 1.000 Mark pro Semester sehen. Studentenvertreter hatten an nahezu allen Universitäten Treuhandkonten eingerichtet, auf die Kommilitonen die Gebühr einzahlen sollten. Die Taktik: Wenn ein Drittel den Protest per Überweisungsformular unterstützt, wird die Zahlung verweigert. Ein Drittel Studierende könne Wissenschaftsminister Klaus von Trotha (CDU) schließlich nicht exmatrikulieren.

An den meisten Universitäten lief die Zahlungsfrist diese Woche ab. Zwar hatten mehr als 23.000 Studierende landesweit aufs Treuhandkonto gezahlt, aber das Quorum vom einem Drittel (rund 48.000 Studenten) wurde verfehlt. Der Boykott ist gescheitert. Einzig in Freiburg, der Hauptstadt der Protestbewegung, hätte er Erfolg haben können – hier zahlten knapp 7.000 Studierende aufs Treuhandkonto, aber eine Vollversammlung hatte zuvor ein Quorum von 50 Prozent festgelegt. Mehrere tausend Nachwuchsakademiker wollen aber weiterhin hartnäckig an der Losung festhalten: „Keinen Blauen für die Schwarzen“. In Heidelberg erklärten bis gestern per Unterschriftsliste 1.000 Studierende, weiterhin bockig sein zu wollen, ebenso viele waren es in Tübingen. In Freiburg wollen mehrere 100 den Wissenschaftsminister Mores lehren.

Studentenvertreter aus ganz Baden-Württemberg werteten gestern in Stuttgart die Boykottaktion trotzdem als Erfolg. Die Aktion habe für eine Politisierung gesorgt. Der Protest sei zudem „keine Eintagsfliege“, sondern „der Beginn einer Diskussion über eine sinnvolle Hochschulpolitik“. Die Landes-Asten-Konferenz forderte neben der Abschaffung der „Studiengebühr“ die Wiedereinführung der seit 1977 in Baden- Württemberg abgeschafften „Verfassten Studierendenschaft“ und eine „Demokratisierung der Hochschulen“. Unterdessen bereiten einige Studentengruppen Musterklagen gegen die Semestergebühren vor. In Freiburg haben sich Jurastudenten mit Unterstützung ihres Professors zwei Angriffspunkte überlegt: Erstens sei die Gebühr unangemessen, da nach Angaben des Landesrechnungshofs der Verwaltungsakt der Rückmeldung pro Student nur durchschnittlich zwei Minuten dauert. Dafür könne man keine 100 Mark verlangen. Zweitens handle es sich bei der Gebühr um eine Art Steuer unter dem Deckmantel „Einschreibegebühr“. Solidaritätskonten sammeln jetzt Geld, um den klagewilligen Studenten die Prozeßkosten zu finanzieren. Gestern wurde bekannt, daß das Verwaltungsgericht Freiburg bereits am 6. Februar den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz einer Studentin abgelehnt hatte. Sie wollte ihre Rückmeldung in die Albert-Ludwigs-Universität ohne Semestergebühr erzwingen. Das Gericht verdonnerte sie aber zur einstweiligen Zahlung der 100 Mark. Ein Urteil über die Rechtmäßigkeit der Gebühr ist damit aber noch nicht gesprochen.