Freud und Leid am Rand der Asphaltpiste

■ Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet für den Weiterbau der A 7. Während die Bauern in Seeg und Hopferau verzweifelt sind, freuen sich die Leute zehn Kilometer weiter

Berlin/Seeg (taz) – Was die Leute in Nesselwang und Pfronten bejubeln, verfluchen die von Seeg und Hopferau. Es geht um 14,5 Kilometer Autobahn. Sie dürfen gebaut werden, entschied das Bundesverwaltungsgericht.

Freud und Leid liegen nur zehn Kilometer auseinander. An diesem Donnerstag mittag, als das Urteil bekannt wird, läßt sich kein Nesselwanger in Seeg blicken. Denn so richtig mögen sie sich nicht mehr, die Autobahnbefürworter und die -gegner. „Kann ich doch nichts dafür. Hauptsache, der Verkehr kommt raus aus Nesselwang“, meint ein Arbeiter in der Urlaubsgemeinde, als er nach den 50 Bauern in Seeg und Hopferau gefragt wird, die um ihre Existenz bangen. Der alltägliche Verkehrskollaps hat ihm jegliches Verständnis für seine Nachbarn geraubt. „Ich find's net schlecht, daß der Verkehr jetzt endlich rauskommt“, pflichtet eine resolute Geschäftsfrau dem Arbeiter bei. Und auch die junge, gepiercte Allgäuerin ist konsequent für die Autobahn.

Die Autobahn, das ist eigentlich nur noch dieses letzte Teilstück von Nesselwang bis zum Grenztunnel in Füssen, wo es nach Österreich geht. Und Österreich ist auch eines der Argumente gegen den Weiterbau. Denn die Österreicher haben längst unmißverständlich deutlich gemacht, daß es auf ihrer Seite nichts wird mit einer vierspurigen Autobahn. Die längste deutsche Autobahn, die A 7, wird in Österreich nur als Bundesstraße weitergeführt werden.

Kaum ist das Berliner Urteil in Auszügen bekannt, treffen sich eine Handvoll Landwirte mit den Gemeindechefs von Seeg und Hopferau. Krisenstimmung. Die beiden Kommunen sind, gemeinsam mit den Landwirten, als Kläger aufgetreten. Der Seeger Bürgermeister Manfred Rinderle spricht vom „traurigsten Tag in dieser Angelegenheit“. Die anwesenden Bauern sind völlig frustriert. „Mein Hof ist 100 Meter weg von der Trasse. Wir betreiben Milchviehhaltung und Urlaub auf dem Bauernhof. Die Gäste werden ausbleiben. Für uns ist das eine Katastrophe“, meint Bauer Martin Kuhn. Nächste Woche bei der Hauptversammlung der „Interessensgemeinschaft zur Erhaltung des Allgäus“ soll darüber beraten werden, ob man nicht doch vor das Bundesverfassungsgericht zieht. Zu viele Existenzen stünden auf dem Spiel – bäuerliche Betriebe und das spärlich gedeihende Pflänzchen Tourismus.

Bauer Kuhn zieht den Vergleich mit der Mercedes-Teststrecke bei Boxberg. „Die haben auch vor allen Verwaltungsgerichten verloren und vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen.“ Daß der Bund Naturschutz einen kleinen Teilsieg errungen hat und die Berliner Richter in bezug auf die Planfeststellung ein ergänzendes Verfahren gefordert haben, tröstet hier nur wenig. Klaus Wittmann