■ Mit StromnetzkäuferInnen auf du und du
: Mehr Störfälle, bitte!

Berlin (taz) – Die Idee ist bestechend. Weil die Bürgerinnen und Bürger der Schwarzwald- Gemeinde Schönau die Nase von ihrem regionalen Atomstromkonzern voll hatten, haben sie ihm nach zehnjährigem Kampf das Stromnetz einfach abgekauft. Künftig soll der Saft in Schönauer Steckdosen aus Wind- und Wasserkraft und aus einem Blockheizkraftwerk der von der Bürgerinitiative gegründeten Elektrizitätswerke Schönau stammen, und nicht aus den Atomkraftwerken im Südwesten. Gemeinderat und BürgerInnen stimmten dem ambitionierten Vorhaben zuletzt im März mit knapper Mehrheit zu.

Doch vor der endgültigen Übernahme ist noch eine hohe Hürde zu nehmen. Der regionale Atomstromer, die Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR), verlangen nämlich 8,7 Millionen Mark für Masten, Leitungen und Transformatoren in der 2.500 köpfigen Gemeinde. KWR erlangte schon 1995 zweifelhafte Publizität, weil der Konzern einem Wasserkraftbetreiber einen Teil der vereinbarten Erlöse für seine Stromlieferung vorenthielt.

Nach Ansicht der Schönauer Stromrebellen ist der von KWR verlangte Preis für das Netz völlig überzogen. Das Stromnetz der Gemeinde südlich von Freiburg sei bestenfalls 3,9 Millionen Mark wert, schätzen sie. Um der KWR aber an den Karren fahren zu können, will die Bürgerinitiative zum gesetzten Preis kaufen. Anschließend wollen die Stromrebellen die zuviel gezahlten Millionen per Musterprozeß zurückholen.

4,7 Millionen Mark vom Kaufpreis hat die Initiative schon zusammen, zum Teil aus einem Fonds der Bochumer Gemeinschaftsbank GLS, zum Teil auf Treuhandkonten örtlicher Banken. Der Rest soll mit einer in dieser Woche bundesweit gestarteten Kampagne „Ich bin ein Störfall“ aufgetrieben werden. Die Stromrebellen haben eigens zu diesem Zweck eine Stiftung gegründet mit Ernst Ulrich von Weizsäcker, Carl Amery und dem Klimaforscher Hartmut Grassl an der Spitze. Die großen Umweltverbände, der DGB und Teile der evangelischen Kirche wollen mithelfen. 25 Werbeagenturen erklärten sich bereit, kostenlos eine Kampagne für die Schönauer zu gestalten: Plakataktionen, Werbespots und T-Shirts.

Begonnen hatte die Auseinandersetzung in Schönau 1986. Der Arzt Michael Sladek gründete nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zusammen mit anderen Eltern eine Anti-Atom-Initiative. Inzwischen findet die Auseinandersetzung in Schönau bundesweit große Beachtung. Gewinnen die Schwarzwälder Rebellen nämlich ihren Musterprozeß gegen die KWR, stehen Nachahmer schon in den Startlöchern. Wenn die bisherige Art der Preisbestimmung für die Stromnetze vor Gericht kasssiert wird, könnten viele andere Gemeinden ihre eigenen Stromnetze preisgünstig erwerben, den Saft selbst produzieren und den großen Strommonopolisten von RWE bis Veag eine Nase drehen. ten