Patientenakten im Papiercontainer

■ Zwei Berliner Spaziergänger fanden die Akten in Friedrichshain. Neuköllner Frauenklinik verdächtigt ehemaligen Arzt, sie entwendet zu haben

Wieder einmal sind Akten von PatientInnen unkontrolliert an die Öffentlichkeit gelangt. Im aktuellen Fall wurden in einem Abfallcontainer knapp 100 Patientenakten gefunden. Dabei handelt es sich der Berliner Zeitung vom Donnerstag zufolge um Operationsberichte aus der Frauenklinik des Krankenhauses Neukölln. Die Klinik hat inzwischen Strafanzeige erstattet, weil sie offenbar einen bestimmten Arzt verdächtigt, der die Berichte unerlaubt aus dem Krankenhaus mitgenommen haben soll, teilte Verwaltungsdirektor Dietmar Lotzkat gestern auf Anfrage mit. Der Name des Arztes sei auf allen Akten aufgetaucht.

Zwei Berliner hatten die Patientenakten am Dienstag nachmittag an einem Papiercontainer in der Marchlewskistraße in Friedrichshain gefunden. Sie übergaben die losen Blätter der Berliner Zeitung.

Bei den aufgefundenen Akten handelt es sich um Berichte über Operationen aus den Jahren 1985 bis 1988. Detailliert würden Sterilisationen, Tumorentfernungen und andere Eingriffe geschildert. Auf den Akten stehen außerdem Namen und Alter der Patientinnen.

Nachdem der Verwaltungsdirektor des Neuköllner Krankenhauses über den Fund informiert worden war, hatte er selbst einige Mitarbeiter ausgeschickt, um nach weiteren Patientenakten in der Umgebung des Abfallcontainers zu suchen, erklärte er gestern gegenüber der taz. Ergebnis: 18 weitere Berichte konnten die Mitarbeiter ihrem Chef ins Krankenhaus bringen. Der hatte die Akten studiert und festgestellt, daß auf allen der Name eines bestimmten Arztes stand. Der Doktor sei im Neuköllner Krankenhaus ausgebildet worden, inzwischen aber nicht mehr dort beschäftigt.

Nach Angaben des Ärztlichen Direktors der Klinik, Professor Peter Schaefer, komme unsauberer Umgang mit Patientendaten ab und zu vor: „Die Ärtze in der Ausbildung brauchen einen Beleg für Operationen, die sie durchgeführt haben. Da kann es schon mal vorkommen, daß sich junge Ärzte eine Kopie ziehen und die mit nach Hause nehmen – obwohl dies strengstens verboten ist.“

Justizsprecher Rüdiger Reiff konnte gestern noch keine Angaben zu dem Fall machen: „Bei uns wird noch die Zuständigkeit geprüft.“ Der für Krankenhäuser zuständige Berliner Datenschützer Ulrich von Petersdorff will nun die Schwachstelle im Neuköllner Krankenhaus aufdecken.

Medizinische Akten wurden laut Bericht des Datenschützers bereits öfter auf der Straße gefunden. 1994 wurden im Wedding 13 Blechbehälter mit Rollfilmen eines Krankenhauses in Stendal gefunden. Ebenfalls 1994 wurden aus dem Klinikum Rudolf Virchow stammende Patientenkarteien auf dem Ackerland zwischen Neuenhagen und Alt Landsberg entdeckt. Markus Grill