Amerikaner verteidigen Gewerkschaften

WASHINGTON taz | „Wir sind alle Wisconsin“, steht auf dem Transparent einer Lehrerin in Los Angeles. „Ich bin stolz, ein Amerikaner zu sein, und ich bin stolz auf meine Gewerkschaft“, sagt ein Metallarbeiter in Frankfort, Kentucky. Er werde kämpfen, „damit alle Amerikaner das Recht auf Gewerkschaften haben“. In Boston stellt ein Demonstrant fest: „Wir haben Jahrzehnte für das Recht auf Tarifverhandlungen gekämpft. Die geben wir nicht auf.“ Und in Madison ruft der Pilot Jeff Skiles in die Menschenmenge, die sich im Schneetreiben vor dem Regierungssitz versammelt hat: „Wir haben alle zusammen gearbeitet, um alle zu retten. Das sollte den Leuten, die in diesem Capitol sitzen, eine Lehre sein.“ Skiles war einer der Männer im Cockpit der US-Airways-Maschine, denen im Januar 2009 eine Notlandung im Hudson River gelang.

Zwei Wochen nach dem Beginn der Proteste in Wisconsin hat sich die Bewegung gegen das gewerkschaftsfeindliche Spargesetz von Gouverneur Scott Walker ausgeweitet. In zahlreichen Städten fanden am Samstag Kundgebungen statt; die größte davon in Madison, wo 70.000 bis 100.000 Menschen rund um das seit Wochen von mehreren hundert Leuten besetzte Capitol von Wisconsin demonstrierten.

Dabei geht es nicht mehr um die Erhöhung der Eigenbeteiligung der 300.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Wisconsin an ihrer Kranken- und Rentenversicherung. Dieser Sparmaßnahme, die für die Beschäftigten Lohneinbußen von mehr als 7 Prozent bedeutet, haben die Gewerkschaften zugestimmt. Es geht um das Recht auf Tarifverhandlungen und um die Finanzierung der Gewerkschaften. Beides will Walker radikal beschneiden. Die Begründung des Republikaners: „Dann haben die Gemeinden mehr Flexibilität.“

Unterdessen sind die 14 demokratischen SenatorInnen von Wisconsin weiterhin abwesend. Sie sind vor mehr als einer Woche in den Nachbarstaat Illinois geflohen, um die Abstimmung über das Gesetz zu verhindern. Denn die Republikaner brauchen ihre Anwesenheit im Senat, um das nötige Quorum für eine Abstimmung zu erreichen.

Der seit Januar amtierende Gouverneur Scott Walker will den republikanischen Wahlerfolg nutzen, um die Gewerkschaften zu schwächen. „Dies ist unser Moment“, sagt er in Interviews. Er versteht sich als Vorbild. Seine Parteifreunde in anderen Bundesstaaten hat er zur Nachahmung aufgefordert. Doch längst nicht alle folgen ihm. In Lansing, auf der gegenüberliegenden Seite des Michigansees, etwa haben fünf Republikaner in ihrem Repräsentantenhaus gegen das Vorhaben gestimmt, dem „National Labor Relations Board“ 60 Millionen Dollar zu streichen. Die unabhängige Behörde organisiert Gewerkschaftswahlen und vermittelt bei Arbeitskonflikten. Der Abgeordnete Mike Rigers, einer der fünf republikanischen Gegner, die die Sparmaßnahme zu Fall brachten, sagt: „Ich brauche eine Möglichkeit, um in Streitfällen zu verhandeln.“ DOROTHEA HAHN