Moose beobachten das Klima

Im Botanischen Garten hat der erste wissenschaftlich fundierte Moosgarten der Welt aufgemacht. Das Grünzeug ist ein wichtiger Indikator für den Zustand der Umwelt

„Moose sind eine geheimnisvolle, uns in aller Regel verschlossene Welt“, sagt Caro Schaumann. Uneingeweihte nehmen das grüne Gekreuch in erster Linie als schädlich wahr. Der Botanische Garten versucht sich jetzt in einer Ehrenrettung – mit dem ersten wissenschaftlichen Moosgarten Europas.

Finanziert wurde das Projekt von der „Stiftung Friederike Schaumann“. Die Botanikerin war fasziniert von Moosen. Sie hatte sich schon früh ein internationales Renommee mit der Erforschung von Moosen erarbeitet. Doch 2004 starb sie im Alter von nur 30 Jahren an einem Gehirntumor. Ihre Eltern richteten daraufhin die Stiftung ein. Mutter Cora kam zur Eröffnung des Gartens.

„Moose haben keine Wurzeln, sie nehmen mit der gesamten Pflanzenoberfläche Wasser und damit Nährstoffe auf“, erklärt Albert-Dieter Stevens, wissenschaftlicher Leiter des botanischen Gartens. Moose seien „Bioindikatoren“, die die Veränderung der Umwelt anzeigen. Einige Arten könnten aufgenommene Schadstoffe gar umsetzen. So dienen moosbegrünte Dächer in der Stadt der Luftfilterung.

„Regional kann man mit Moosen Klimaveränderungen nachweisen“, weiß Oliver Röller. Der Mooskundler und Geschäftsführer des Rheinland-Pfälzischen Naturschutzvereins „Pollichia“ hat festgestellt, das wärmeliebende Waldbodenmoose in den letzten Jahren wieder vermehrt auftreten, während Arten, die es eher kalt mögen, seltener vorkommen. Aber dem Moos geht es vielerorts schlecht. „In Niedersachsen sind 64 Prozent der Moose gefährdet, und in Mecklenburg-Vorpommern über 50 Prozent“, berichtet Stevens. Im Berliner Großraum seien es sogar über 70 Prozent.

Dabei war Moos schon lange vor uns da. Mit einem nachgewiesenen Alter von 300 bis 450 Millionen Jahren sind sie eine der ältesten Landpflanzengruppen. Zwar ziehen die meisten Arten eine hohe Luftfeuchtigkeit wie sie in Mooren oder Wäldern zu finden ist, vor. Moos gibt es aber auch in der Wüste, in Polargebieten und im Hochgebirge. Es hält hohe Temperaturschwankungen ebenso aus wie extreme Trockenperioden und intensive Sonne ebenso wie Lichtmangel.

Auch medizinisch haben Moose ihren Nutzen. Im zweiten Weltkrieg wurden sie wegen ihrer antiseptischen Wirkung als Wundkompressen eingesetzt. Naturheilkundler forschen an Lebermoosen, weil diese ätherische Öle produzieren.

Arme Leute haben früher Kissen aus getrockneten Moosen hergestellt, weil die Daunen zu teuer waren. Und das Sternmoos, im Volksmund „Widertonmoos“, hätten die Leute früher in die Mauerritzen gestopft, um den Teufel fernzuhalten, erzählt Röller. Jörg Meyer

Botanischer Garten, Königin Luise Straße 6–8, U-Dahlem Dorf, 9 bis 16 Uhr, Eintritt 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro