Abgang eines Guten

RÜCKTRITT Mit Wilfried Eisenberg verliert die Bremer Straßenbahn AG einen kreativen Chef, der konsequent auf das Primat der Elektromobilität setzte. Das brachte ihm durchaus auch Ärger ein

Eisenberg hatte noch mehr Ideen. Straßenbahnen sollten frühmorgens den Lieferverkehr übernehmen

Der überraschende Rücktritt von Wilfried Eisenberg als Vorstands-Sprecher der BSAG löst Bedauern aus. Der 46-Jährige will sein Amt zum 2. August abgeben.

Am Tag zuvor wird Eisenberg noch an der Eröffnung der Verlängerung der Linie 4 zwischen Borgfeld und Falkenberg teilnehmen. Die Turbulenzen um den Ausbau der Linie 4 und 1 gehören zu den wenigen Dingen, die in Eisenbergs Amtszeit negativ auffielen. Bei diesen Projekten habe er es „nicht geschafft, die Menschen mitzunehmen“, sagt etwa Wolfgang Jägers, der verkehrspolitische Sprecher der SPD. Dennoch bedauere er den vorzeitigen Abgang des „kreativen Managers“.

Den Ärger um die Linien-Verlängerungen, die Eisenbergs Vorstellung vom Vorrang der Straßenbahn gegenüber dem Busverkehr entsprechen, aber Anwohnerproteste auf den Plan riefen, musste Jägers selbst mit ausbaden. Seine Fraktion fasste zunächst einen ablehnenden Beschluss, „den ich zurückholen musste“, wie Jägers sagt.

Eisenberg kam 2012 von Rostock nach Bremen. Beim damaligen Verkehrskombinat Ostseetrans hatte er Elektromonteur gelernt, sich dann vom Azubi zum Chef hochgearbeitet. Wenige Wochen nach seiner Rostocker Vertragsverlängerung gab Eisenberg seinen Wechsel nach Bremen bekannt. Steht sein Abgang nun wiederum in Zusammenhang mit einem Angebot andernorts? Offiziell ist von „persönlichen Gründen“ für die Vertragsauflösung die Rede, „buten un binnen“ glaubt zu wissen, dass sich Eisenberg mit seinen beiden Vorstandskollegen nicht verstünde.

Ist der Abgang tatsächlich ein Alarmsignal für die Stimmung in der BSAG-Führung? „Dazu kann ich mich nicht äußern“, sagt Jägers, der Mitglied des BSAG-Aufsichtsrats ist. Klar ist, dass Eisenberg zu einem Zeitpunkt geht, zu dem wichtige Umstrukturierungs-Prozesse anstehen. Seit 2010 hat die BSAG einen linear sinkenden Zuschuss seitens der Stadt, bis 2040 reduziert er sich von 60 auf 40,4 Millionen Euro. Derzeit liegt er bei 51 Millionen.

“Die BSAG muss das Problem ihres veralteten Fuhrparks anpacken“, sagt Kristina Vogt, Fraktions-Chefin der Linkspartei. Mit Eisenberg sei ihre Partei „sehr zufrieden“ gewesen. Und dass, obwohl das „Stadtticket“ immer noch zu teuer und nicht übertragbar ist? Eisenberg hätte sich in dieser Frage „deutlicher positionieren können“, findet Vogt – doch in erster Linie sei hier der Senat in der Verantwortung.

Ansätze seines Elektro-Konzepts hat Eisenberg umgesetzt. In der Vahr gibt es jetzt eine Kooperation mit der Gewoba, durch die sich BSAG-Kunden Pedelics leihen können. Vor allem aber hat Bremen endlich einen Elektrobus. Der ist noch weit davon entfernt, seinen Saft aus der Oberleitung zu ziehen, hat aber eine Reichweite von 300 Kilometern. Bevor seinesgleichen die Dieselstinker ersetzt, müssen aber noch die Preise sinken: Derzeit kostet ein E-Bus 400.000 Euro, der Normalbus-Preis liegt bei nur 280.000.

Deutliche Spuren hat Eisenberg im Programm der Grünen hinterlassen. Dass dort drin steht, dass die Öffentlichen ab 2030 ausschließlich elektrisch fahren sollen, sei Eisenbergs Engagement zu verdanken, sagt Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen – der Eisenbergs Abgang „sehr bedauert“.

Eisenberg hatte noch mehr Ideen. Straßenbahnen sollten frühmorgens in der Innenstadt den Lieferverkehr übernehmen, Busse innerhalb des ÖPNV auf reine Zubringerdienste reduziert werden. Obdachlose durften sich im Winter in den Bahnen aufwärmen. Fraglich ist nun, ob ein ähnlich kreativer Nachfolger gefunden wird. Möglicherweise wählt der Aufsichtrat bei seiner Sitzung am Freitag einen ebenso pragmatischen wie wenig zukunftsweisenden Weg: die Bestallung eines der beiden verbleibenden Vorstände zum Vorstandssprecher.  HB