Zögerliche Europäer

LIBYEN Die EU droht mit Sanktionen und evakuiert ihre Bürger. Über den Umgang mit Flüchtlingen streitet sie

„Italien ist gefordert, aber noch lange nicht überfordert“

THOMAS DE MAIZIÈRE, INNENMINISTER

BERLIN dapd/dpa/epd/rtr/taz | Der internationale Druck auf Libyen wächst – ohne greifbare Ergebnisse. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte gestern die internationale Gemeinschaft zur Einheit auf, um einen „sofortigen und friedlichen Wandel“ in Libyen zu ermöglichen. Zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat das Vorgehen Gaddafis gegen seine Landsleute verurteilt; am heutigen Freitag wird sich außerdem der UN-Menschenrechtsrat auf einer Sondersitzung mit Libyen befassen.

Die Europäische Union bekräftigte die Androhung von Sanktionen – Beschlüsse sind nach Angaben von Diplomaten jedoch nicht vor Ende nächster Woche zu erwarten. Unklar ist auch, welche Sanktionen ergriffen werden sollen. Widerstand gegen EU-Sanktionen kommt vor allem von Italien, Malta und Zypern – Italien, weil es mit seiner ehemaligen Kolonie wirtschaftlich eng verflochten ist und, wie die beiden Inselstaaten auch, die Ankunft zahlreicher Flüchtlinge fürchtet.

Der erwartete Flüchtlingsandrang sorgt in der EU für Streit: Italien und andere Mittelmeeranrainer fordern finanzielle Unterstützung von der EU, was Deutschland und Österreich ablehnen. „Italien ist gefordert, aber noch lange nicht überfordert“, so Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière.

Die Evakuierungsmaßnahmen vieler europäischer Länder laufen auf Hochtouren. Drei Kriegsschiffe der Bundeswehr sind nach Libyen unterwegs, um gegebenenfalls Deutsche aus dem Land zu holen. Insgesamt halten sich zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Menschen aus anderen Ländern in Libyen auf – vorwiegend aus afrikanischen Ländern.

Auch die EU erwägt einen militärischen Notfallplan für den Fall, dass sich in Libyen die Kämpfe zu einem Bürgerkrieg oder Völkermord ausweiten und die humanitäre Lage immer schlechter wird. Die Nato wiederum schließt nach Angaben ihres Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen ein Eingreifen in Libyen aus. Jegliche Intervention müsse auf einem Mandat der Vereinten Nationen beruhen, erklärte Rasmussen. Bislang sei kein Mitgliedsstaat von der Gewalt in Libyen bedroht.

Neben Deutschland haben auch Großbritannien, Frankreich und die USA Marine-Verbände in den Mittelmeerraum geschickt. US-Präsident Barack Obama hatte das Blutvergießen in Libyen „abscheulich und inakzeptabel“ genannt, ansonsten jedoch nur die Prüfung von Strafmaßnahmen angekündigt.

Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg, forderte im Deutschlandfunk ein internationales Eingreifen in Libyen. Er bezeichnete Sanktionen als ein zu schwaches Druckmittel. Nötig sei ein UN-Mandat, damit Flüge nach Libyen sowie der Söldnernachschub kontrolliert werden könnten.