Bei Abstieg Mord

ZENTRALAMERIKA Fußball ist hier kein Spaß. Messerstechereien und Todesdrohungen gehören zu einer normalen Saison dazu

Enttäuscht die heimische Mannschaft, fliegen von oben Plastikbeutel mit Exkrementen herunter

VON TONI KEPPELER

Huehuetenango liegt im Nordwesten Guatemalas nahe der Grenze zu Mexiko. Die Provinzstadt ist eingebettet zwischen grünen Hügeln. Zu Zeiten, als hier noch die Mayas herrschten, hieß der Ort Xinabajul und so heißt heute der dortige Fußballclub. Er spielt in der ersten guatemaltekischen Liga. Am vergangenen Wochenende wurde der Vizepräsident des Vereins ermordet, der Präsident traute sich wegen Todesdrohungen nicht zum Heimspiel ins Stadion. Die Staatsanwaltschaft vermutet die Mörder im Fanclub „Fiebre Amarilla“ (Gelbfieber). Die Fans seien wütend wegen der miserablen Vorstellung, die ihre in Gelb auflaufende Mannschaft in dieser Saison abliefert.

Es war ein Mord im Stil der Drogenmafia. Vizepräsident Carlos Noé Gómez hatte am Freitagabend an einer Planungssitzung des Clubs teilgenommen. Als er in der Nacht das Lokal verließ, warteten dort seine Killer: zwei Männer in einer schwarzen Limousine. Ohne Wortwechsel streckten sie den Fußballfunktionär mit neun Schüssen nieder. Er war sofort tot. „Die heißeste Spur führt zu den Fans von Fiebre Amarilla“, sagt der ermittelnde Staatsanwalt Nery Martínez. Gómez habe, genauso wie Vereinspräsident Mauro Rodríguez, in den vergangenen Wochen telefonische Todesdrohungen bekommen.

Die Fans nähmen der Führung übel, dass Xinabajul bis zum Wochenende auf dem letzten Tabellenplatz stand. Rodríguez verfolgte das Heimspiel seiner Mannschaft am vergangenen Wochenende gegen Tabellenführer Heredia aus Sicherheitsgründen zu Hause am Radio. Er denkt über einen Rücktritt nach.

Gewalt und Fußball sind in Zentralamerika enger miteinander verknüpft als bei englischen Hooligans. Das bekannteste Beispiel ist der sogenannte Fußballkrieg zwischen El Salvador und Honduras im Jahr 1969. Die Ursachen dieses einwöchigen Scharmützels mit über 600 Toten waren zwar wirtschaftliche Interessen. Aber beide Regierungen nutzten die Qualifikationsspiele zur Fußballweltmeisterschaft 1970, um nationalen Hass gegen die Nachbarn zu schüren.

Noch heute geht es in den Stadien kriegerisch zu. Die Fankurve heißt in El Salvador „El Vietnam“, und es ist nicht ratsam, sich in den unteren Rängen dieses Sektors aufzuhalten. Enttäuscht die heimische Mannschaft, fliegen von oben Plastikbeutel mit Exkrementen herunter. Kommt die Nationalmannschaft aus den USA zu Gast, werden gerne Transparente ausgerollt mit der Aufschrift: „Gringos, hier wartet euer Vietnam“. In Honduras gibt es in jeder Saison rund ein halbes Dutzend Tote nach Schusswechseln und Messerstechereien zwischen Fanclubs.

Gewaltverbrechen gehören in El Salvador, Guatemala und Honduras zum Alltag. In der weltweiten Mordstatistik liegen die drei Länder auf den ersten Plätzen. In El Salvador und Honduras liegt die Mordrate fast siebzigmal so hoch wie in Deutschland, in Guatemala rund fünfzigmal. Trotzdem hat die Eskalation der Fußballgewalt in Guatemala eine neue Qualität.

Im vergangenen November wurde der Spieler Carlos Mercedes Vásquez vom Club Malacateco aus Malacatán in der Provinz San Marcos auf offener Straße entführt. Später wurde seine zerstückelte Leiche gefunden. Ein Verdächtiger wurde schnell verhaftet, aber nur wenige Tage später von einem bewaffneten Kommando wieder aus dem Gefängnis befreit. Die Ermittler vermuten die Täter in Kreisen der Drogenmafia. Die Grausamkeit des Mordes und die Art der Befreiung des Verdächtigen sprechen für die so genannten „Zetas“ – das blutrünstigste aller Drogenkartelle.

San Marcos ist die Nachbarprovinz von Huehuetenango. Im Nordwesten Guatemalas herrschen Drogenmafias mehr als der Staat. Es geht um die Kontrolle des Transportkorridors von Zentralamerika nach Mexiko. Es ist bekannt, dass die Drogenmafias ihre Gewinne in legalen Unternehmen investieren und Fußball ist in Zentralamerika ein Geschäft. Die Clubs sind keine Vereine im deutschen Sinn, sondern gehören meist einem einzigen Unternehmer. Die Mafia-Morde am Spieler und am Funktionär deuten darauf hin, dass die Drogenkartelle an diesem Geschäft interessiert sein könnten.

Die Fans vom „Fiebre Amarilla“ dürften inzwischen ein bisschen milder gestimmt sein. Xinabajul schlug am Samstag den Spitzenreiter Heredia 1:0 und ist nun auf dem zweitletzten Tabellenplatz.