wie erleben sie den klimawandel?
: Folge 2: Ingenieur Olle Andersson in Schweden

Ort: Åmål, Provinz Dalsland, Schweden.

Klimawandel: Zu viel Wasser hier, zu wenig woanders.

Betroffen: Olle Andersson und 13.000 BewohnerInnen von Åmål.

Wasser und einen Fisch hat der Ort schon jetzt in seinem Stadtwappen. „Aber unsere Uferlage wird dann eben etwas ausgeprägter sein.“ Noch flachst Olle Andersson. Er ist Ingenieur in der Planungsabteilung von Åmål. Das liegt in der westschwedischen Provinz Dalsland, dort wo deutsche KanutouristInnen besonders gern Urlaub machen.

Es gibt dort nämlich viel Wasser. Vor allem den Vänernsee. Nicht nur Schwedens, sondern – lässt man Russland mal außen vor – auch Europas größter Binnensee. Bis jetzt liegt Åmal, durch den Spielfilm „Raus aus Åmål“ international bekannt, aber auch in unverdient hinterwäldlerischen Ruf geraten, an diesem See. Bald womöglich zu einem großen Teil drin. „Das steht dann alles unter Wasser“, sagt Andersson und zieht einen imaginären Kreis über das Stadtzentrum. Die Klimaveränderung wird zwar nicht gleich ein Raus-aus-Åmål für seine 13.000 EinwohnerInnen zur Folge haben. Aber doch einschneidende Konsequenzen. „Bauen wir unseren Marktplatz eben zum neuen Bootshafen um“ – Andersson bewahrt seinen Humor.

Woanders mag der Klimawandel trockene Zeiten bedeuten, in Südschweden wird es ein Zuviel an Wasser sein. Dass die natürlichen Abläufe der großen schwedischen Binnenseen diese Wasserflut nicht bewältigen können, hat man an den Ufern von Vänern, Vättern und Mälaren schon seit Jahren erfahren. Die Frühjahrs- und Herbsthochwasser machen sich stetig unangenehmer bemerkbar. Vor einigen Jahren standen Teile der Stockholmer U-Bahn nur wenige Zentimeter vor einer Überflutung. In Schweden ist es in den letzten 15 Jahren durchschnittlich ein Grad Celsius wärmer geworden und der Niederschlag ist um knapp 50 Millimeter, eine Monatsration, angewachsen. „Auch wenn das nicht dramatisch klingt, ist es doch deutlich zu merken“, erläutert Hans Alexandersson, Meteorologe beim staatlichen Wetterdienst SMHI, solche Zahlen: „In Südschweden pendelt im Winter die Temperatur um die Nullgradmarke, da haben kleine Verschiebungen eine große Auswirkung auf die Schneeschmelze.“ Die besonders kräftige Erwärmung im Winter schiebt SMHI darauf, dass der Treibhauseffekt das mächtige Russlandhoch abgeschwächt hat. In der Vergangenheit war es in Skandinavien verantwortlich für trocken-eiskalte Winter ebenso wie für niederschlagsarme „Jahrhundert“-Sommer. Nun werde das Wetter mehr von atlantischen Westwinden bestimmt. Die Folge: Nasse Füße für die BewohnerInnen von Åmål, aber deutlich weniger Schnee im Norden. Wo man deshalb – ebenso wie in einem breiten Streifen quer durch Mittelschweden – tatsächlich ein Problem mit wachsender Trockenheit, kräftig sinkendem Grundwasserspiegel und versiegenden Brunnen bekommen könnte.

Eine von der Regierung eingesetzte Kommission hat in der vergangenen Woche eine erste Bestandsaufnahme vorgelegt. Ihr Auftrag: Vorschläge zu machen, wie „die Auswirkungen der Klimaänderungen zu vermindern“ sind. In Teilen der südlichen Küstenregionen – 12 Prozent aller schwedischen Häuser liegen nicht mehr als 100 Meter von einem Ufer entfernt –, wird man Dämme bauen müssen. Vom Vänernsee will man womöglich mit einem riesigen Tunnel einen zusätzlichen Wasserablauf ins Meer schaffen. Ein Milliardenprojekt, aber immer noch billiger als die Folgekosten regelmäßiger Überschwemmungen. Im Prinzip müsse man sofort mit der Umsetzung dieser Pläne beginnen, meint Tom Hedlund, Sekretär der Klimakommission: „Die Risiken sind nämlich schon jetzt inakzeptabel hoch.“ Zumindest einen Bootshafen hat Åmål ja schon. REINHARD WOLFF