Keine Totgeburt

Das Dessauer Gericht sagt: Anne S. hat ihr Kind erstickt. Jetzt muss die damals 19-Jährige sechs Jahre hinter Gitter

BERLIN taz/dpa ■ Es war das falsche Kind zur falschen Zeit – und vor allem vom falschen Vater. Anne S., die Anfang Juli 2006 in Klieken (Sachsen-Anhalt) ihre neugeborene Tochter erstickte, ist gestern vom Landgericht Dessau zu sechs Jahren Haft verurteilt worden (siehe auch taz vom 9. 1. 2007). Das sind anderthalb Jahre mehr, als der Staatsanwalt gefordert hatte. Die Verteidigung hatte zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung für die damals 19-Jährige gefordert.

Im Laufe der Verhandlung war klar geworden, dass Anne S. ihre Notlage selbst herbeigeführt hat. Sie kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus, hat in Taufkirchen bei München einen Ausbildungsplatz, und obwohl sie und ihr Freund sich eine „Auszeit“ geben wollen, „war von Anfang an klar, dass wir wieder zusammenkommen würden“. Das ist der Stand im Spätherbst 2005. Doch ihre Schwangerschaft überfordert sie. Das Kind ist nicht von ihrem langjährigen Partner. Ausreden hin, weite Pullover her – am 1. Juli gebiert die junge Frau im Bad des Elternhauses in Klieken. Das Baby ist gesund. Doch Anne S. erstickt ihre Tochter; noch am Abend steht die Kripo vor der Tür.

„Die Angeklagte hat sich selbst in die Lage gebracht, es gab bis zuletzt tausend Auswege. Sie hat keinen davon genutzt“, sagte der Richter in Dessau gestern zur Urteilsbegründung. Totschlag lautet das Urteil: Anne S. habe sehr wohl gewusst, dass ihr Kind zu Tode kommen würde, wenn sie es mit einem Badetuch an sich presst. Anne S. hatte behauptet, sie wollte ihr Kind beruhigen.

Die Staatsanwaltschaft konnte nachweisen, dass das gesund zur Welt gekommene Kind nach seiner Geburt in der Kliezener Badewanne eine ganze Weile lang lebte. Die Angeklagte weinte vor Gericht um ihre Tochter. Maria hatte sie das Baby nach seinem Tod genannt.

Das psychiatrische Gutachten, demzufolge Anne S. aus Angst vor Entdeckung der heimlichen Geburt in einer „extremen Belastungssituation“ gewesen sei, wirkte sich nicht strafmildernd aus. Die Verteidigung von Anne S. kündigte an, in Revision gehen zu wollen. JGP