Siemens muss für Preisabsprachen büßen

Elf Unternehmen sollen sich den europäischen Markt für Stromverteilungsanlagen jahrelang aufgeteilt haben. Ganz vorn dabei: die Siemens AG. Nun verdonnert die EU-Kommission den Konzern zu einer Geldstrafe von über 400 Millionen Euro

von BEATE WILLMS

Das hat Siemens gerade noch gefehlt: Gestern verhängte die EU-Kommission eine Rekordstrafe über den Münchner Konzern. Insgesamt rund 418 Millionen Euro soll Siemens für sich und seine österreichische Tochter VA Tech zahlen. Das ist die höchste Strafe, die die Wettbewerbsbehörde je wegen eines Kartellverstoßes über ein Unternehmen verhängt hat. Siemens hält die Strafe für „absolut überzogen“ und kündigte Klage beim Europäischen Gerichtshof an.

Insgesamt elf Unternehmen sollen von 1988 bis 2004 den europäischen Markt für gasisolierte Schaltanlagen unter sich aufgeteilt haben. „Die Kartellmitglieder trafen sich regelmäßig“, erklärte die Kommission. Dabei hätten sie Projekte aufgeteilt und Scheinangebote entwickelt, die einen echten Wettbewerb vorgaukeln sollten. Udo Niehage, Chef der Siemenssparte Energieübertragung und -verteilung (PTD), sagte dagegen, es habe nur von Oktober 2002 bis April 2004 Absprachen „bei einigen wenigen Projekten im europäischen Wirtschaftsraum gegeben“.

Die Gesamtstrafe in Höhe von 750,7 Millionen Euro zeigt, dass die EU-Kommission das Vergehen als schwer einstuft. Nur das sogenannte Vitaminkartell hatte mit 790 Millionen Euro vor sechs Jahren noch mehr berappen müssen. Die Strafe für Siemens entspricht etwa dem, was der Konzern letztes Jahr mit seiner Sparte PTD verdient hat.

Die anderen beteiligten Unternehmen – Alstom, Areva und Schneider aus Frankreich sowie die Japaner Mitsubishi, Toshiba, Hitachi, Fuji und AE Power Systems – müssen zwischen 1,4 und 119 Millionen Euro zahlen. Einzig der Schweizer Konzern ABB, der sich als Kronzeuge zur Verfügung stellte, blieb straffrei.

Die neue Negativmeldung verstärkt den Druck auf Siemens-Vorstandschef Klaus Kleinfeld und Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer. Dabei werden die beiden auf der heutigen Hauptversammlung ohnehin gehörig ins Gebet genommen werden. Spätestens seit Kleinfeld den Vorstandsvorsitz vor zwei Jahren übernahm, ist eine neue renditeorientierte Kultur in das Unternehmen eingezogen. Dass ganze Firmenteile verkauft oder zerschlagen wurden, brachte nicht nur die Belegschaft auf die Palme, wie der öffentliche Wirbel um die Pleite der Ex-Siemens-Handysparte zeigt.

Hinzu kommt der seit November schwelende Korruptionsskandal: Mehr als 420 Millionen Euro Schmiergelder sollen geflossen sein, um Siemens lukrative Aufträge zu verschaffen. Entscheidend ist nun, wer im Topmanagement davon wusste. Zwei Exvorstände hat die Staatsanwaltschaft schon auf ihrer Liste; auch der amtierende Finanzvorstand Joe Kaeser gerät zunehmend unter Druck. Aktionärsverbände und die Belegschaftsaktionäre wollen den Vorstand nicht entlasten, bis die Vorwürfe geklärt sind. Auch von Pierer, dessen Job die Kontrolle und Aufklärung des Skandals ist, muss sich auf Rücktrittsforderungen gefasst machen – die Zahlungen fallen in seine Zeit als Vorstandschef. Ein Interessenkonflikt ist absehbar.

Dass es tatsächlich zu personellen Konsequenzen kommt, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Nur rund 18 Prozent der Aktien sind in Privatbesitz. Der Rest wird von institutionellen Anlegern wie Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften gehalten. Diese gelten nicht als besonders umstürzlerisch.