berliner szenen Der erste Umlaut

Angekommen

Der erste Umlaut trifft mich hart. Gepäckausgabe. Die Druckbuchstaben haben es in sich und die Punkte auf dem Ä brennen sich in meine Netzhaut, die vom Licht-Aus der Landung noch empfindlich ist. Ich blinzle und werde von einer Kleinstfamilie angerempelt. So, jetzt sind wir daheim, sagt der Mann. So, jetzt nur noch die Koffer, sagt die Frau. Der Sohn sagt gar nichts. Er hat über dem Ärmelkanal auch genug geschrien. Ich werfe ihm unauffällig meinen Jack-Nicholson-Blick zu, stellvertretend auch für jenes Kind, das während des Flugs meine Rückenlehne als Bassdrum missbrauchte.

An den Jüngeren erkennt man, dass wir aus London-Stansted kommen: Die Frisuren sind Indie-tauglich, und überhaupt sieht jeder so aus, als hätte er mal in Sheffield Musik gemacht. Hinter mir wartet der Mann, der unterwegs einen Rückflug seiner Wahl gewonnen hat, weil er an Bord eine Cola gekauft hat und dann ausgelost wurde. Our lucky winner. Jetzt kämpft er mit seiner Laptoptasche, deren Gurt ungünstig zwischen seinen Beinen baumelt. Ein beherzter Griff in Richtung Schritt würde helfen, aber auch irritieren, also stecke ich die Hände in meine Jackentasche und übe mich im höflichen Übersehen. Da ich auf den Boden schaue, verpasse ich meine vom Fließband gelieferte Tasche und muss ihr hinterherlaufen wie ein Anfänger. Als ich kurz darauf durch die Glastür trete, suche ich nach einem vertrauten Gesicht in der Menge der Willkommen-Heißenden, man weiß ja nie. Dann trete ich allein an die Berliner Luft. Zuerst vom Umlaut getroffen, klatscht mir jetzt ebenso unangenehm ein nasser Fetzen Papier ins Gesicht. Es ist ein Stück Westberlin, ein Stadtplan, mit dem der Wind mich willkommen heißt. Schön, daheim zu sein.

LENA HACH