Knockout mit Folgen

Die Zeitreisekomödie „Küss mich, Genosse!“ (Sat.1, 20.15 Uhr) ist DDR-Kitsch und hübsche Liebesgeschichte zugleich

Früher ließ Sat.1 den Ball als Signet durchs Programm hüpfen, heute fliegt er wiederholt gegen die Köpfe der Spielfilm-Protagonistinnen. Anders ließen sich die kruden und abstrusen Geschichten nicht erzählen, die vorrangig das Interesse der weiblichen Zuschauer fesseln sollen. Anfang Januar traf ein Ball eine angehende Braut am Kopf mit der Folge einer Amnesie und eines unerträglich blöden Films („Im Namen der Braut“). Nun ballerte er der jungen Jenny auf die Stirn. Und diese damit ins LPG-Erntelager im Sommer 1974.

Auf den Spuren ihrer Zeugung ist Jenny im Jahr 2006 an den Ort gefahren, wo ihre Eltern sich kennen lernten, bevor sie einen Tag später in der 78. Spielminute des Fußballmatches BRD gegen DDR, just in dem Moment, als Jürgen Sparwasser die bundesrepublikanische Überheblichkeit ins Aus schoss, Jenny zeugten. Die Handlung, die auf Jennys Knockout folgt, macht keinen Sinn. Jenny bleibt Jenny und weiß um ihre Reise in die Vergangenheit und ihre Existenz im 21. Jahrhundert. Dennoch meint sie, ihre Eltern zusammenbringen zu müssen, um ihre Zeugung in die Wege zu leiten. Wie gesagt, eine Menge schwachsinniger Handlungen, in der Zeit- und Realitätsebenen durcheinanderfliegen, als rühre jemand einen Kessel Buntes um. Am Ende verändert sie die Handlung noch in dem Sinne, dass selbst die Ursprungssituation, aus der heraus sie den Ball an den Kopf bekam, eine andere ist.

Neue Eltern, toller Freund, beruflicher Erfolg. Wer diesen Film ernst nehmen will, sollte ihn nicht gucken. Wer meint, die Zeit der humorvollen DDR-Aufarbeitung sei vorbei, auch nicht. Diejenigen, die es o.k. finden, einen verschrobenen und vom Bösen durchzogenen Staat als Kulisse für die Inszenierung einer originellen Liebesgeschichte zu nutzen, sei das Stück gegönnt.

Die Geschichte ist dennoch flott erzählt und Jenny, von Mira Baruschek überzeugend verkörpert, eine Sympathiefigur. Dazu gibt es den wie immer großartigen Jörg Schüttauf und die ansonsten recht unausstehliche Anja Kling als bekiffte Jugendlagerleiter zu erleben und manch feinen Witz. Mehr aber noch sind es Alexandra (Josefine Preuß) und Frank (Constantin von Jascheroff), die hier zwecks Zeugung zusammengeführt werden sollen, die zumindest die weiblichen Zuschauer mitnehmen. Als Paar sind sie von jener unverhüllten Leichtigkeit, die anzuschauen ein Vergnügen ist. Auch, weil es vor Augen führt, wie schade es ist, diese Leichtigkeit zu verlieren. Wenn dabei unvermittelt die süße Erinnerung an die eigene erste große Liebe aufsteigt, dann ist das ein Zeichen, dass der Film – trotz seiner Sinn-Schwächen – funktioniert. Ohne dass man zuvor einen Ball an den Kopf bekommen hätte.

Silke Burmester