Mubaraks Freunde sind sprachlos

REAKTIONEN Indem er am Donnerstag nicht abtrat und am Freitag doch, hat Mubarak den Westen vorgeführt

■ Die Repression: Die algerische Staatsführung hat vor der geplanten, aber nicht genehmigten Massendemonstration am Samstag tausende zusätzliche Sicherheitskräfte in die Hauptstadt Algier beordert. Die Polizisten seien „bis an die Zähne“ bewaffnet, berichtete die Onlineausgabe der Zeitung El Watan. Auch vor einem Krankenhaus und dem Pressezentrum seien etliche „kampfbereite“ Sicherheitskräfte aufgefahren – offensichtlich, um die Journalisten einzuschüchtern, kommentierten Reporter vor Ort.

■ Der Protest: Seit Wochen gibt es Algerien nahezu täglich Streiks. Am Freitag starb ein 36-jähriger Familienvater an den Folgen einer Selbstanzündung. Obwohl Präsident Bouteflika Preissenkungen für Grundnahrungsmittel, mehr Demokratie und ein Ende des Ausnahmezustands versprochen hat, konnte er die Opposition nicht beschwichtigen. (dpa/afp)

BERLIN/WASHINGTON/BRÜSSEL/KAIRO/ taz/rtr/dpa/dapd | Husni Mubarak ist abgetreten, seine alten Freunde haben damit ihre Schwierigkeiten. Während auf dem Tahrir-Platz in Kairo der Jubel explodiert, können sich weder Washington noch Brüssel zu spontaner Begeisterung durchringen. Das Weiße Haus lässt zunächst lediglich wissen, US-Präsident Barack Obama sei vorab informiert worden und habe im Fernsehen zugesehen. Die EU-Außenbeauftrage Catherine Ashton äußert „Respekt“ für den Schritt Mubaraks - die zurückhaltendste Form der diplomatischen Billigung.

Möglicherweise sitzt allen Beteiligten noch der Schock vom Donnerstag abend in den Gliedern, als Husni Mubarak in einer Fernsehansprache seinen Rücktritt nicht erklärte, obwohl seine eigenen Vertrauten und auch CIA-Direktor Leon Panetta diesen vorher angekündigt hatten. Kurz nach Mubaraks Fernsehansprache gab Obama eine vier Absätze lange Erklärung ab. Daraus sprach blanke Enttäuschung, gepaart mit der Angst: „Die ägyptische Regierung muss einen glaubwürdigen, konkreten und unmissverständlichen Weg zu authentischer Demokratie gehen. Das hat sie bislang nicht getan,“ so Obama, und: „Die Regierung darf nicht mit Repression oder Brutalität auf das Bestreben ihres Volkes antworten.“

So klar hatte bislang noch kein US-Präsident in aller Öffentlichkeit zu einem langjährigen Verbündeten der USA gesprochen - aber so klar hatte auch noch kein langjähriger Verbündeter der USA die größte Supermacht der Welt und ihren Mangel an Insiderwissen öfffentlich vorgeführt und Obama als reinen Zuschauer bloßgestellt.

US-Vizepräsident Joe Biden fand gestern als erster seine Sprache wieder. Noch vor einer angekündigten Erklärung Obamas am Abend sprach er von einem „historischen“ und „dramatischen“ Wandel, einem „Wendepunkt der Geschichte“. Und der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, Harry Reid, rief zu einem „geordneten“ Abgang Mubaraks auf, „der zu wahrer Demokratie für Ägypten führt, einschließlich freier, fairer und offener Wahlen“.

EU-Außenbeauftragte Ashton hat ebenfalls gefordert, der Dialog über einen politischen Übergang müsse nun beschleunigt werden und zu einer Regierung auf breiter Basis führen, die den Hoffnungen der Bevölkerung Respekt schenken und Stabilität bringen müsse. Die EU sei dazu bereit, Ägypten dabei zu helfen.

In Deutschland waren die Grünen schneller als die Regierung. Fraktionschef Jürgen Trittin und Außenpolitiksprecherin Kerstin Müller begrüßten den Rücktritt Mubaraks als großartigen Erfolg der Demokratiebewegung in Ägypten, während eine angekündigte Erklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel noch auf sich warten ließ. Die Demonstranten seien friedlich geblieben und hätten sich nicht entmutigen lassen. Nun werde es darauf ankommen, dass der Militärrat zur Bildung einer breiten Übergangsregierung beitrage.„Deutschland und die Europäische Union müssen nun den Aufbau demokratischer Strukturen und die Stärkung der Zivilgesellschaft aktiv voranbringen“, erklären die beiden Grünen.

In der arabischen Welt hielt man sich mit Mahnungen und Ankündigungen zunächst zurück. Katars Regierung nannte Mubaraks Rücktritt „einen positiven, wichtigen Schritt zur Erfüllung der Aspirationen des ägyptischen Volkes: Demokratie, Reform und ein Leben in Würde“. Amr Moussa, der ägyptische Generalsekretär der Arabischen Liga, deren Hauptquartier sich auf dem Kairoer Tahrir-Platz befindet, äußerte seine Hoffnung, es könne jetzt ein „nationalen Konsens“ entstehen: „Es gibt jetzt eine große Chance, und nach dieser weißen Revolution und dem Zugeständnis des Präsidenten hat sich ein Fenster geöffnet.“

„Einen positiver, wichtiger Schritt zur Erfüllung der Aspirationen des ägyptischen Volkes: Demokratie, Reform und ein Leben in Würde“

AMR MOUSSA, ARABISCHE LIGA

Am solidarischsten mit den ägyptischen Revolutionären äußerte sich die im palästinensischen Gaza-Streifen regierende islamistische Hamas-Bewegung. „Der Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Husni mubarak ist der Anfang vom Sieg der ägyptischen Revolution, ein Ergebnis der Opferbereitschaft und Standhaftigkeit des ägyptischen Volkes“, sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri, während in Gaza Freudenfeiern starteten.

Kein Wunder, dass in Israel eher Ratlosigkeit und Sorge herrscht. Entweder es wird viel besser, oder es wird ganz schlimm werden, so der Tenor der israelischen Reaktionen. Von den „weichen Knien“ der Israelis spricht Verteidigungsminister Ehud Barak, während der stellvertretende Ministerpräsident Silvan Schalom bereits die nächste Blockade des Suezkanals voraussieht. „Es ist zu früh, zu sagen, wie sich die Dinge entwickeln werden“, sagte ein Regierungssprecher.D.J./DORA