Aufklärung als Revanche

SNOWDEN Als Antwort auf die neue Spionageaffäre fordert die Opposition ein „klares politisches Signal“: die Ladung des Ex-NSAlers nach Deutschland. Die Regierung winkt ab, Grüne und Linke wollen klagen

„Snowden behandelt unseren Ausschuss nicht so, wie er andere Anfragen behandelt“

RODERICH KIESEWETTER, CDU

BERLIN taz | Kommt er nun doch? Nach dem erneuten US-Spionagefall verstärkt die Opposition ihre Forderung, den NSA-Whistleblower Edward Snowden für eine Befragung nach Deutschland zu holen.

Konstantin von Notz, Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, appellierte: „Was soll denn noch passieren, dass Frau Merkel erkennt, dass nun Aufklärung und Konsequenzen angesagt sind und nicht Verhinderung und Vernebelung?“

Auch Linken-Obfrau Martina Renner verlangte ein „politisch-diplomatisches Signal, das klar sagt, so darf es nicht weitergehen“. Sie forderte eine Ausweitung der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft auf die massenhafte Überwachung deutscher Kommunikation und „den Weg für eine Zeugenvernehmung von Snowden frei zu machen“.

Eine Befragung in Deutschland lehnen die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen indes weiter ab.

Am Dienstagabend gab es jedoch einen weiteren Rückschlag: Der Berliner Anwalt Snowdens, Wolfgang Kaleck, teilte dem Untersuchungsausschuss mit, dass der Whistleblower auch für eine Videovernehmung aus seinem Moskauer Asyl heraus „nicht zur Verfügung steht“, insbesondere „wegen der damit verbundenen Sicherheitsrisiken“. Diese Variante hatten Union und SPD Ende Juni im Ausschuss beschlossen – gegen den Willen der Opposition. Grüne und Linke pochen auf eine Ladung nach Berlin.

Nun wollen beide vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Sollte Merkel in den nächsten Tagen nicht eine „180-Grad-Wende“ hinlegen und Snowden „heranschaffen“, werde man klagen, drohte der Grüne von Notz.

Der Schriftsatz wird seit Wochen vorbereitet und soll zwei Adressaten haben. Die Regierung, die Amtshilfe zur Ladung Snowdens verweigere. Und die Fraktionen von Union und SPD, die im Ausschuss die Anhörung blockieren. Die Klage soll nach der Sommerpause fertig sein.

SPD-Obmann Christian Flisek sagte, er blicke der Klage „gelassen“ entgegen. Dass Snowden mit der Ablehnung der Videobefragung „die letzte Tür zugeschlagen“ habe, bedauere er sehr. Eine Ladung nach Deutschland komme aber nicht infrage, da der Whistleblower umgehend in die USA ausgeliefert würde. Auch der Obmann der Union, Roderich Kiesewetter, gab sich enttäuscht: „Snowden behandelt unseren Ausschuss nicht so, wie er andere Anfragen behandelt.“ Nun gelte es die Arbeit mit anderen Zeugen fortzusetzen.

Lenkt die Regierung nicht ein, ist Snowden für den Ausschuss tatsächlich vorerst erledigt. Auch bis eine Klage der Opposition entschieden wäre, würde es dauern. Das weiß auch Snowden. Laut seinem Moskauer Anwalt Anatoli Kutscherena beantragte der 30-Jährige inzwischen die Verlängerung seines Ende Juli auslaufenden Asyls in Moskau. Nun warte er auf die Entscheidung der Einwanderungsbehörden. Snowden hatte nach eigener Auskunft in rund 20 weiteren Ländern um Asyl gebeten – überall erfolglos. KONRAD LITSCHKO