Bühne statt Altar

Mit einer riesigen Sandpyramide wird St. Stephani zur Kulturkirche umfunktioniert. Zuletzt verloren sich hier nur noch wenige Gläubige. Doch noch ist das Projekt ein Experiment mit unsicherer Zukunft

von Nina Kim Leonhardt

Morgen ist es soweit: Sankt Stephani wird zur „Kulturkirche“. Zur Eröffnung kommt nicht nur Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hat sich angekündigt. Sie erwartet „Geld wie Sand“ – eine 100 Tonnen schwere Sandpyramide dreier Stadtplaner aus Bremen.

Die Skulptur, schon beim heutigen „Pre-Opening“ zu sehen, steht symbolisch für den Wandel St. Stephanis zur Kulturkirche. „Es ist ein Schritt aus dem Schutzraum Kirche heraus, hinein in den Dialog mit Kunst, Kultur und Wissenschaft“, sagt Louis-Ferdinand von Zobeltitz, der Projektleiter und derzeit noch Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche.

Ein „Schutzraum“, der in letzter Zeit immer kleiner wird. Schrumpfende Gemeinden machen Fusionen und Alternativkonzepte erforderlich: „Wenn zu den Sonntagsgottesdiensten 15 bis 30 Gemeindemitglieder erscheinen, fragt man sich natürlich, wie man mehr Leute erreichen kann“, so Zobeltitz. Vor drei Jahren kam in der Gemeinde zum ersten Mal der Gedanke an eine „Kulturkirche“ auf. Ein erprobtes Konzept: Lübecks Petrikirche ist seit 2003 „Universitätskirche“ und in Hamburg-Altona verpachtet die Kulturkirchen GmbH St. Johannis bereits seit 1999 ihren Kirchenraum für Veranstaltungen aller Art.

Allerdings soll St. Stephani nicht zum reinen Mietobjekt verkommen. „Es wird keine Modenschauen oder Fotosessions geben“, sagt Pastor Horst Janus. Die Bremer Shakespeare Company, Radio Bremen, die Universität, das Kino 46 oder die Günther-Grass-Stiftung haben bereits feste Termine im Veranstaltungskalender, mit anderen Institutionen steht St. Stephani in Verhandlung.

Die alten Kirchenbänke wurden vor drei Wochen durch eine auf- und abbaubare Bestuhlung ersetzt, der Altar in eine Ecke verbannt. „Wir überlegen, einen leichteren Altar anzuschaffen, damit wir, wenn zum Beispiel gerade nur eine Ausstellung läuft, schneller umbauen können und auch wieder im Hauptschiff Gottesdienste feiern können“, sagte Zobeltitz. Bis auf weiteres wird die St. Stephani-Gemeinde im Nordschiff, der so genannten „Winterkirche“, untergebracht.

Als Projektbeitrag der Bremischen Evangelischen Kirche zum Kirchentag 2009 wird die Kulturkirche mit drei hauptamtlichen Stellen – Louis-Ferdinand von Zobeltitz als Projektleiter, Tim Günther als musikalischer Leiter und Helmut Malewski als Küster – sowie 30.000 Euro pro Jahr für Sachmittel unterstützt. Auch das Faulenquartier, wo sich in diesem Jahr Radio Bremen und die Volkshochschule ansiedeln werden, soll von der neuen Kulturkirche profitieren. Ansonsten wird die Kirche täglich (außer montags) von 11 bis 18 Uhr geöffnet sein.

Damit das Experiment „Kulturbetrieb Kirche“ nicht scheitert, will Zobeltitz bei Großprojekten einen professionellen Kulturmanager heranziehen. Daneben steht ein Kuratorium beratend zur Seite.

Noch ist das Projekt in Bremen ein Experiment, einmal im Monat soll es in einem „Kulturgottesdienst“ diskutiert werden. Hier sollen ReferentInnen über Literatur, Musik oder gegenständliche Kunst sprechen und den „Dialog zwischen Kultur und Religion lebendig halten“, sagt Zobeltitz. Denn nur wenn die Kulturkirche auch ein wirtschaftlicher Erfolg wird, wird es sie auch nach dem Kirchentag noch geben.